Emanzipatorische Potenziale beruflicher Ausbildung
Datum: Freitag, 16.05.2025, 19-20.30 Uhr (Einlass ab 18:30 Uhr)
Ort: Syndikat, Emser Str. 131, S+U Neukölln
Emanzipation bezeichnet ein zentrales Versprechen der Moderne. Es geht um das Versprechen, dass kollektive und/oder individuelle Selbstbefreiung, Selbstbestimmung und damit die Überwindung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse möglich ist. Diese utopische Möglichkeit fordert bestehende Machtverhältnisse radikal heraus.
Historisch gab es verschiedene Emanzipationsbewegungen, die für Gleichberechtigung und die Verminderung gesellschaftlich produzierten Leids gekämpft haben. Auch heute finden entsprechende Kämpfe statt. Dabei fällt allerdings der Begriff der Emanzipation deutlich seltener als beispielsweise in den 1960/70er Jahren, als marxistisch informierte Gesellschaftskritik in den Debatten allgegenwärtig war.
Wenn heute über das emanzipatorische Potenzial von Bildung nachgedacht wird, geht es häufig um die Frage, wie viel Freiraum für kritisches Denken im Studium noch gegeben ist. In den letzten 50 Jahren wurden Ansätze wie die Kritische Psychologie an den Universitäten aus dem Mainstream in Nischen gedrängt. Gleiches gilt für ähnliche Ansätze in anderen Disziplinen.
Wenn allerdings aufgrund eines solchen Fokus allein die Universität als Ort ‚echter‘ Bildung und möglicher Emanzipation verstanden würde, folgte man der elitären Tradition eines neuhumanistischen Bildungsverständnisses. Stattdessen wird im Vortrag der Frage nachgegangen, welches Emanzipationspotenzial berufliche Ausbildung enthält.
Aus einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive auf die Gegenwartsgesellschaft stellt der (Nicht‑)Übergang in Ausbildung eine entscheidende biografische Phase für einen Großteil der Schulabgänger*innen dar, für die ein Studium keine realistische Option auf ihrem nachschulischen Bildungsweg ist. Allerdings erreichen derzeit knapp 20 % der jungen Menschen keinen berufsqualifizierenden Abschluss. Sie sind in der Folge häufiger von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und sozialer Exklusion betroffen.
Hier liegt eine Quelle kontinuierlicher Produktion unnötigen gesellschaftlichen Leids. In der öffentlichen Diskussion bleibt dies unterbelichtet, da den Opfern systematisch die Schuld an ihrem ‚Scheitern‘ zugeschrieben wird. Wie dies funktioniert und welche Alternativen zum Status quo bestehen, soll an diesem Abend diskutiert werden.
Prof. Dr. Marcus Eckelt, Vertretungsprofessor Schul- und Berufspädagogik an der TU Berlin