Der Etikettenschwindel der Evolutionären Psychologie

Artikel von Wolfgang Maiers in Forum Kritische Psychologie 45 (2002).

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Zusammenfassung

Die Evolutionäre Psychologie (EP) zielt wissenschaftlich darauf ab, das für grundlegend fehlerhaft erachtete sozialwissenschaftliche Bild vom menschlichen Verhalten und Bewußtsein durch evolutionsbiologische Bestimmungen der conditio humana abzulösen. Im Zentrum des Beitrags steht eine kritische Überprüfung der methodologischen Prinzipien, theoretischen Voraussetzungen und empirischen Belege der EP. Deren Erkenntnisansatz erweist sich als zutiefst unhistorisch: Irregeführt durch einen genetisch-deterministischen Reduktionismus mündet er in ein eindimensionales und statisches Konzept menschlicher Natur ein. Die kritisch-psychologische Anwendung der Evolutionstheorie auf die Psychophylogenese zeigt die Möglichkeit eines alternativen Verständnisses der Anthropogenese – als eines qualitativen Umwandlungsprozesses von der evolutionär-stammesgeschichtlichen zur gesellschaftlich-geschichtlichen Entwicklung – auf. Die einzelwissenschaftliche Auflösung des scheinbaren Paradoxons einer „gesellschaftlichen Natur“ des Menschen ist unhintergehbar, wenn die EP als eine pseudowissenschaftliche, ideologisch begründete Ausdehnung des Geltungsbereichs biologischer Erklärungen auf die qualitativ verschiedene Ebene gesamtgesellschaftlich vermittelter menschlicher Existenz wirksam widerlegt werden soll.

Summary: The bogus claim of Evolutionary Psychology

Evolutionary psychology (EP) claims to provide an alternative drawing on biological definitions of the universal human condition, to the allegedly flawed social-scientific understanding. The scope of this paper is limited to a critical interrogation of the methodological principles, theoretical premises, and empirical evidence of EP. It is argued that EP’s epistemological approach is deeply a-historical, misdirected by a genetic determinist reductionism and leading to a one-dimensional and static concept of human nature. Critical Psychology’s employment of the evolution-theoretical approach to psychophylogenesis indicates the possibility of a contrasting understanding of anthropogenesis as a process of transition from the merely evolutionary-phylogenetic to societal-historical development. Approaching the seeming „paradox“ of a „societal nature“ of the human beings appears indispensible, if EP’s pseudo-scientific, ideological extension of biology’s appropriate explanatory empire to the qualitatively distinct level of societal human practice is to be effectively refuted.

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