Fünfter kritisch-psychologischer Salon 2022

Psychologie in der Replikationskrise – eine Replikation ihrer Krisen? Historische Rückschau und theoretisch-psychologische Einordnung

Ort: KulturKiezKneipe Laika, Emser Straße 131, S+U Neukölln

Freitag, 11. November, 18:30 Uhr, Einlass ab 18:00 Uhr

Vortrag online verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=7e8qfdI7FVw

Referent: Wolfgang Maiers

Seit etwa zehn Jahren ist das in anderen Wissenschaften schon länger erörterte Problem einer überzufälligen Nichtreplizierbarkeit von Experimental- und Korrelationsstudien auch in unserer Disziplin angekommen und führt in ihrem Mainstream weit- und weiterhin zu erheblicher Beunruhigung. Diese Verunsicherung ist gut begreiflich, da die Anomalie die dort für gültig erachteten methodologischen Grundvoraussetzungen und Gütekriterien empirischen Forschens infrage stellt. Die weitgehende Fokussierung der kritischen Diskussion auf Methodenfragen und der hierbei vielfach beschworene Ausweg, über eine weitere Erhöhung methodischer Strenge unzweideutige empirische Daten zu sichern, gibt Anlass zur Annahme, dass der tiefere Grund für die Nonreplikabilität verkannt wird: nämlich die fehlgeleitete Orientierung einer (vorgeblich) objektiven Forschungsweise, die die Komplexität menschlichen Lebens und Erlebens recht eigentlich als Hauptquelle von Störfaktoren verdächtigt, die im Interesse der Überprüfung empirisch-experimenteller Hypothesen ausgeschaltet oder neutralisiert werden müssen. So betrachtet belegten die Replikationsprobleme einmal mehr, dass die notorische Verkehrung in der traditionell-psychologischen Bestimmung des Verhältnisses von Gegenstand und Methode kraft der nicht hintergehbaren Wesenszüge menschlicher Inter-/Subjektivität nicht funktionieren kann. In diesem Sinne manifestiert die aktuelle psychologische Replikationskrise das Scheitern einer „subjektlosen Psychologie“, das im Laufe der Psychologiegeschichte in wiederkehrenden Krisen-Diskussionen thematisiert wurde – so auch in der Kritik der 1970er Jahre am Szientismus der sog. „nomologischen Psychologie“. Bei der Suche nach Auswegen rückte seinerzeit wissenschaftstheoretisch die Alternative der Neubegründung eines integrativen Psychologie-Paradigmas gegenüber der Programmatik eines theoretischen Pluralismus in den Fokus. Heute scheinen derartige Grundlegungsfragen weithin marginalisiert, obgleich keines der chronischen Defizite der hegemonialen Variablenpsychologie erledigt wurde – wie beispielhaft an der konzeptuellen Beliebigkeit und der fraglichen empirischen Prüfbarkeit psychologischer Theorien aufgewiesen werden kann. Zeitgenössische subjektpsychologische Reorientierungen zeigen sich vielfach in der klassischen Dichotomie von natur- vs. geisteswissenschaftlicher Epistemologie befangen. Aus kritisch-psychologischer Perspektive gilt es demgegenüber, die Notwendigkeit und Möglichkeit einer monistischen Methodologie und Metatheorie für eine subjektwissenschaftliche Psychologie zu begründen.

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