Anstieg „depressiver Störungen“ im neoliberalen Kapitalismus? Kritisch-psychologische Anmerkungen zu Methode und Ergebnissen der Depressionsforschung

Veröffentlicht in: Forum Gemeindepsychologie, Jg. 18 (2013), Ausgabe 1, Schwerpunkt: Psychologisierung und Medizinisierung in der Gesundheitsversorgung. Verfügbar über: Leonie Knebel in FGP 2013

Leonie Knebel

Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund ungelöster methodischer und definitorischer Probleme wird die Debatte um die Zunahme depressiver Störungen kritisch beleuchtet. Befunde aus der Epidemiologie und arbeitsbezogenen Stressforschung legen einen Zusammenhang zwischen einzelnen Faktoren (z.B. prekäre Beschäftigung) der allgemeinen gesellschaftlichen Umstrukturierung und einer Zunahme und Präsenz depressiver Symptome nahe, ohne die komplexen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte selbst zu analysieren. Die Studie von Alain Ehrenberg nähert sich der Depression auf eine historische und diskursanalytische Art. Damit kann sie längerfristige Veränderungen hegemonialer psychiatrischer und gesellschaftlicher Denkweisen und deren Einfluss auf die Subjektivität nachzeichnen, die Analyse jedoch hängt an einigen Stellen mangels einer eigentlichen Gesellschaftstheorie des neoliberalen Kapitalismus in der Luft. In Auseinandersetzung mit den genannten Befunden und Theorien werden Überlegungen zu einem kritisch-psychologischen Verständnis und einer Prävention depressiver Zustände angestellt.

Schüsselwörter: Prekarisierung, Depression, Kritische Psychologie, Neoliberalismus, Stressforschung, das erschöpfte Selbst

Summary

Increase in „Depressive Disorders“ in Neoliberal Capitalism? Critical-Psychological Considerations on Methods and Findings in the Research on Depression

The debate on the increase in depressive disorders is critically engaged with in light of unresolved methodological and conceptual problems. Findings from research on epidemiology and work-related stress suggest a causal relationship between individual aspects of general societal restructuring (such as precarious employment) and an increase in and presence of symptoms of depression. However, they do so without analyzing the complex developments and shifts of recent decades themselves. Alain Ehrenberg’s study approaches depression through a historical-philosophical and discourse-analytical lens. Thus Ehrenberg is able to identify and reconstruct long-term shifts in the hegemonic psychiatric and societal way of thought and its impact on subjectivity. Due to the lack of an actual social theory of neoliberal capitalism, Ehrenberg’s analysis is, in many respects, hanging in the air. In critical engagement with the aforementioned research findings and theories, considerations are developed towards a critical-psychological conceptualization and prevention of depression.

Key words: precarization, depression, Critical Psychology, neoliberalism, stress research, The Fatigue of Being Oneself

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Online-Publikationen und getaggt als . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Kommentare sind geschlossen.