Mythos ‚Bindung‘ – vom Nutzen und von den Gefahren der Bindungstheorie für das Leben von Kindern und Erwachsenen
Referentin: PD Dr. Gisela Ulmann
Zeit: Freitag, 13. November 2015, 19:30 bis 21:30 Uhr
Ort: Laika, Emser Straße 131, S+U Neukölln
„Bindung“ wurde von Freud für eine besondere Beziehung zwischen Kind und Mutter benutzt, Bowlby orientierte sich an Freud, um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen einem Kind und den Personen, die es „bemuttern“, zu kennzeichnen – die ein Leben lang anhalten kann. Meine These ist, dass der Begriff erst ab 1977 in die mainstream-Psychologie Eingang fand – als das Ehescheidungsgesetz in Deutschland geändert wurde: Das Schuldprinzip wurde durch das Zerrüttungsprinzip abgelöst – die Kinder konnten so nicht mehr dem/der Unschuldigen zugewiesen werden, sondern – so das Gesetz – einem der Partner, wobei die Bindungen des Kindes zu berücksichtigen sind. Psychologische Gutachter sahen sich veranlasst, sich mit diesen psychoanalytischen Theorien zu befassen. Obwohl kurze Zeit später das gemeinsame Sorgerecht zum Regelfall wurde, wurde Bindung zum Mythos – und ihre Qualität für alles Mögliche, von Kriminalität bis Genialität, verantwortlich gemacht. Dabei geriet die Besonderheit einer Beziehung, vertrauensvoll zu sein, außer Acht. Dass Bowlby sich dafür einsetzte, dass bemutternde Personen verlässlich sein sollten, ist zum Nutzen der Kinder. Dass aber die Qualität frühkindlicher Beziehungen zu den Eltern lebenslang schicksalhaft wirken würde, sehe ich als eine gefährliche und unbelegte Theorie.