Lernverhältnisse im Neoliberalismus. Teil II: Überlegungen zu einer Kritischen Psychologie des Lernens

Artikel von Christina Kaindl in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Christina_Kaindl

Zusammenfassung

Der Beitrag analysiert die veränderten gesellschaftlichen und institutionellen Denk- und Praxisformen in Bezug auf Bildung und Lernen und fragt nach den darin funktionalen Lernbegründungen. Die hochtechnologische Produktions- und Lebensweise arrangiert auch die Lernverhältnisse um das neoliberale Paradigma von Selbstverantwortung und Aktivierung und legt den Subjekten neue Formen defensiver Lernbegründungen nahe: Anders als im Fordismus geht es nicht so sehr um die Übernahme fremd gesetzter (Lern)Ziele, als um ihre – selbstständige – Gerierung entsprechend gesellschaftlicher, v.a. wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Im Beitrag wird auch diskutiert, inwiefern diese Entwicklungen Holzkamps Arbeiten zu Lernen als veraltet erscheinen lassen und wie deren Geltungsbereich bestimmt werden kann.

Christina Kaindl: Learning Relations in Neo-liberalism. Part II: Reflections on a Critical Psychology of Learning

The author analyses the changed societal and institutional forms of thinking and practice relating to education and learning and tries to reveal the inherent subjective grounds for learning. With the high-technological mode of production and living, learning relations, too, are centred around the neo-liberal paradigm of self-responsibility and activation, suggesting new forms of defensive grounds for learning to the individuals. While Fordism stressed the plain adoption of externally defined goals (of learning), the focus in neo-liberalism is on their intrinsic – „autonomous“ – generation according to societal, i.e. economic, possibilities and necessities of exploitation. The author discusses whether these developments make Holzkamp’s works on learning appear out-dated and how their validity is to be (re-) defined.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: ,

Forum Kritische Psychologie 50

Erfahrung – Interesse – Utopie / Subjektivität: natürliche Grundlagen – gesellschaftliche Strukturen – soziale Beziehungen / Kritische Psychologie in Entwicklung und Vernetzung

Inhalt

Editorial

***

Dimitris Papadopoulos
Klaus Holzkamp und die Kritische Psychologie

Morten Nissen
Zum Standort von Kritik in der kritischen Psychologie heute

***

Josef Held
Von Holzkamp zu Vygotskij und immer wieder zurück

Athanasios Marvakis
Vom Nutzen der Philosophie Ernst Blochs für eine emanzipatorische Psychologie

Peter Faulstich und Anke Grotlüschen
Erfahrung und Interesse beim Lernen – Konfrontationen der Konzepte von Klaus Holzkamp und John Dewey

***

Ole Dreier
Wider die Strukturabstraktion

Kristine Baldauf-Bergmann
Impulse für eine strukturvermittelte Entwicklung von Lernkontexten

***

Thomas Rihm
Über die Sternstunden hinaus: Lehren mitten im Widerspruch

Kurt Bader und Birte Ludewig
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Zu einigen Problemen subjektwissenschaftlicher Forschung

Lorenz Huck
Irrungen der Abstraktion – ein Beispiel aus der Praxis des „Forschungsprojekts Lebensführung“

***

Volker Schurig
Psychophylogenese und Umweltpsychologie als naturwissenschaftlicher Themenbereich der Kritischen Psychologie

Eckart Leiser
Über einige strukturierende Faktoren der abendländischen Kultur in
der Geschichte der Psychologie

***

Bibliographie Kritische Psychologie (12)

Autorinnen und Autoren

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Forum Kritische Psychologie 49

Geschlechterverhältnisse
Sprache und Rhetorik
Solidarität / Rassismus
Schule im Neoliberalismus

Inhalt

Editorial

***

Catharina Schmalstieg
„Der Große Graben“ – Ideologietheorie, Geschlechterverhältnisse und Psychologie

Isolde Albrecht
Das versteckte Geschlecht. Zur geschlechtskonturierenden Wirkung gebräuchlicher Arbeitsbegriffe

Wolfgang Maiers
Präsentative Symbolik in der menschlichen Stammesgeschichte. Vorbemerkung zu Ekkehard Jürgens

Ekkehard Jürgens
Symbolursprung. Neues vom Anfang der Bilder

Christina Kaindl
Lernverhältnisse im Neoliberalismus. Teil II: Überlegungen zu einer Kritischen Psychologie des Lernens

Morus Markard
„Wenn jede(r) an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Zum Problem der Verallgemeinerbarkeit von individuellen Interessen / Handlungen zwischen kollektiver Identität und Universalismus

Birgit Carstensen, Karen Haubenreisser, Frigga Haug
Willkommen in der Freizeit – Ausgrenzung in der Arbeit. Werkstattbericht über Konstruktionen von Fremdheit und Integration

***

Autorinnen und Autoren

 

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Willkommen in der Freizeit – Ausgrenzung in der Arbeit. Werkstattbericht über Konstruktionen von Fremdheit und Integration

Artikel von Birtgit Carstensen, Karen Haubenreisser und Frigga Haug in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Birgit_Carstensen_Karen_Haubenreisser_Frigga_Haug

Zusammenfassung

In einer Tagesveranstaltung mit Werkstattcharakter wählt die Gruppe eine der mitgebrachten Erinnerungsszenen aus und bearbeitet sie exemplarisch. Geschrieben zum Thema „Als ich einmal eineN FremdeN nicht mochte“, dient die Szene der Untersuchung der Konstruktion von Fremdheit. Durch die Analyse der Szene mit Hilfe von Erinnerungsarbeit wird eine Konstruktion zweier Sphären sichtbar: In der Sphäre der Kultur (Kleidung, Freizeit) herrscht wohlmeindende Neugier auf „die Fremde“, dieser im Kontrast gegenüber steht die Sphäre der produktiven Arbeit. Hier wird die Fremde als unverbesserliche und unzugängliche, unfähige Person konstruiert, die dadurch zur Gefahr für den Erfolg der Arbeit wird. Der Werkstattbericht mündet in die Aufforderung, der Funktionalität und Verbreitung dieser Konstruktion weiter auf die Spur zu kommen.

Summary: Welcome at leisure-time – excluded at work. Constructions of strangeness and integration

In a day workshop the group members first choose one from the various recollection scenes each of them have contributed and then treat this sample in detail. Dealing with „As I once disliked a stranger“, the scene serves to analyse the construction of strangeness. Through the method of „memory work“, a construction of two spheres is revealed: In the sphere of culture (clothing, leisure time) a well-meaning curiosity about „the stranger“ is prevailing – in sharp contrast with the sphere of productive labour where the strange individual is construed as an incorrigible, inaccessible, and incompetent person, who puts the work efficiency at risk. The workshop report leads to the request to track down further the functionality and dissemination of this construct.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: , , ,

„Wenn jede(r) an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Zum Problem der Verallgemeinerbarkeit von individuellen Interessen / Handlungen zwischen kollektiver Identität und Universalismus

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Morus_Markard

Zusammenfassung

Ist die (kritisch-psychologische) Rede von verallgemeinerter Handlungsfähigkeit, von emanzipatorischem Allgemeininteresse heute eine bloße Phrase? Ausgehend von den kategorischen Imperativen von Kant, Marx und Adorno werden Probleme von Identitätspolitiken, von (kollektiver) Identität und kollektivem Subjekt und des Verhältnisses von Egoismus und Altruismus diskutiert. Wenn Interesse als der funktionale oder Inhaltsbezug von individuellen Handlungsbegründungen begriffen wird, geht es darum, diese auf partikularistische bzw. universalistische Momente zu analysieren. Diese vom Begriffspaar restriktive – verallgemeinerte Handlungsfähigkeit im je eigenen Interesse kategorial veranlasste Fragestellung setzt gesellschaftspolitische Informiertheit voraus und ist im Ergebnis jeweils offen.

Summary: „If everyone takes care of themselves, we are all taken care of.“ On the problem of how to generalise individual interests and actions between collective identity and universalism

Has the (critical-psychological) talk of generalised potence to act, of emancipatory general interest turned into a mere phrase today? Proceeding from the categorical imperatives of Kant, Marx, and Adorno, the author discusses problems of identity politics, of (collective) identity and the collective subject, and of the relation between egoism and altruism. If individual grounds for actions, understood in terms of their functionality and contents, refer to interests, it is a question of analysing them as to their particularistic vs. universalistic aspects. This analysis, which is conceptually informed by the dialectically conceived bipolar category of restrictive vs. generalised action potence and pursued in each case for one’s own sake, requires good knowledge of societal and political matters and is open with regard to its outcome.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: ,

Symbolursprung. Neues vom Anfang der Bilder

Artikel von Ekkehard Jürgens in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Ekkehard_Jürgens

Zusammenfassung

Im letzten Jahrzehnt wurden tradierte Stammbaum-Muster der menschlichen Evolution durch eine Vielzahl archäologischer Überraschungen in Frage gestellt. In einer kurzen Bestandsaufnahme referiert der Autor zunächst den allgemeinen Erkenntnisstand der Paläontologie bis zu den 1990er Jahre. Vor diesem Hintergrundschema heben sich die Besonderheiten der neuen Befunde um so deutlicher ab. Demnach sind kulturelle Äußerungen nicht erst dem Homo sapiens, sondern weit früher schon dem Homo erectus zuzuschreiben. Während sich dieses frühmenschliche Symbolschaffen auf Werkzeuggestaltung und Knochengravur beschränkt, hat Homo sapiens in Europa von Anfang an Kunstwerke aller Art (Malerei, Skulptur, Musik) und von höchster Perfektion („Meisterwerke“) hinterlassen. Die neuen Fakten und Daten werfen neue Fragen auf, v.a. zum Verhältnis von Umweltänderung und kulturellem Response. Als Kommunikations- und Kulturwissenschaftler skizziert der Autor schließlich ein eigenes Erklärungsmodell zur Entstehung der Kunst.

Summary: On the Origin of Symbolizing. News from the Emergence of Pictures

In the last decade a number of surprising archeological discoveries have been made that cast doubt on the received view on human phylogenesis. The author starts with a brief summary of the state of the art in paleoontology up to the 1990s which is then contrasted with the latest findings. Expressions of culture are now no longer regarded as unique attributes of Homo sapiens but already ascribed to Homo erectus. While this symbolic production of early humans is limited to tool design and bone engravings, Homo sapiens in Europe has left behind works of art of all kinds (painting, sculpture, music) and of perfect beauty („masterpieces“). The recent facts and data raise new questions, especially concerning the relationship between environmental changes and cultural response. Coming from the communication and cultural sciences, the author concludes with an outline of his own explanatory approach to the origin of art.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: ,

Das versteckte Geschlecht. Zur geschlechtskonturierenden Wirkung gebräuchlicher Arbeitsbegriffe

Artikel von Isolde Albrecht in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Isolde_Albrecht

Zusammenfassung

Am Beispiel der nachhaltig reproduzierten Affinität von Gender und funktionsteiligen Arbeitsinhalten wird erörtert, welche Rolle die Sprache bei der Verstetigung bzw. Überwindung traditioneller sozialer Identitätszuschreibung spielt. Methodische Grundlage ist die (v.a. durch Wygotski bekannte) psycholinguistische Theorie der Kulturhistorischen Schule, die Sprache als historisch entstandenes Mittel des Kommunizierens und Denkens mit tiefgehender kognitiver und emotiv-motivationaler Wirkung begreift. Nach einem Aufriss sozialgeschichtlicher Entwicklungslinien werden semantische und logische Strukturen geschlechtlich konnotierter Berufskategorien erörtert und deren psychologische Wirkung beleuchtet. Die Analyse zweier aktueller Berufsbilder (SozialarbeiterIn und MaschinenbauingenieurIn) weist schließlich auf, wie durch unreflektierten Gebrauch gängiger technischer und sozialer Tätigkeitsbegriffe tradierte geschlechtliche Persönlichkeitsstereotype reproduziert werden, was alleine über die konventionelle Anwendung von Semantik und Syntax funktioniert, unabhängig vom grammatikalischen Geschlecht der Berufsbezeichnungen.

Summary: Hidden Gender. How Commonly Used Occupational Terms Form Gender Concepts

Taking the division of labour with its lasting affinity between gender and certain professions as an example, the role of language in perpetuating or overcoming traditional social identity formation is discussed. Methodologically the study is based on the psycholinguistic theory of the Cultural-historical School (associated primarily with Vygotski) which interprets language as a historically developed means of communication and thinking with far-reaching cognitive and emotional-motivational effects. Following a brief outline of the socio-historical developments, the semantic and logical structures of gendered professional categories and their psychological effects are scrutinized. The analysis of the current perception of two professions – social worker and mechanical engineer – demonstrates how unreflected use of common terms for technical and social occupations helps to reproduce traditional gender stereotypes. This is accomplished simply by the conventional semantic and syntactical usage of the professional denotations independent of their grammatical gender.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: ,

„Der Große Graben“ – Ideologietheorie, Geschlechterverhältnisse und Psychologie

Artikel von Catharina Schmalstieg in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

Download: FKP_49_Catharina_Schmalstieg

Zusammenfassung

Der Beitrag diskutiert die Bedeutung einer Theorie des Ideologischen und die Relevanz einer Theorie der Geschlechterverhältnisse für psychologische Fragestellungen. Um die Bedeutung von Ideologie aus psychologischer Sicht genauer bestimmen zu können, d.h. ideologische Bedeutungsproduktion in subjektwissenschaftliche Analysen einbeziehen zu können und über die bloße Formel von „gesellschaftlich nahegelegten Denk- und Handlungsweisen“ hinauszukommen, schlägt die Autorin vor, die Analysen des Projekt Ideologie-Theorie (PIT, W.F. Haug et al.) psychologisch als Bedingungs-Bedeutungs-Analysen aufzufassen. Die vom PIT herausgearbeiteten herrschaftsförmigen Kompetenz/Inkompetenzformen, in denen sich ideologische Handlungsfähigkeit entwickelt, werden als „Strukturseite“ restriktiver Handlungsfähigkeit interpretiert. Vor diesem Hintergrund werden Resultate der Arbeit des Projekts Frauenformen (F. Haug et al.) zu Sexualisierungsprozessen skizziert und in ihrer bedeutungsanalytischen Relevanz für kritisch-psychologische Arbeiten diskutiert. Geltungsüberschreitungen wie auch Verbindungslinien werden aufgezeigt und Vermittlungsebenen benannt, auf denen eine Theoretisierung der Geschlechterverhältnisse aus Sicht der Kritischen Psychologie noch zu leisten ist.

Summary: Ideology, Gender Relations and Psychology

The article reflects on how psychology needs to relate to a theory of the ideological and discusses the relevance of a theory of gender relations for a psychological perspective. The relevance of a conceptualisation of ideology for a critical psychological perspective is discussed on the grounds of the theory on ideology introduced by the Projekt Ideologie-Theorie (PIT, W.F. Haug et al.). The concepts „subjection“ and „competence/incompetence forms“ being the basis for ideological action potency are interpreted by the author as the socio-analytical counterpart, the „structural side“, of what Holzkamp calls „restricted action potency“. For the process of subject science research the project’s works are interpreted as analyses of the connection of societal relations and (ideological) representations/significance. On the grounds of this interpretation the studies on the „forms of femininity“ (F. Haug et al.), focussing on the processes of sexualisation in this article, are introduced briefly and discussed in respect to their relevance for a Critical Psychology. The field of application/questions of validity are discussed and dimensions on which a theory of gender can be integrated into Critical Psychology are shown.

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: ,

Wer braucht Erziehung?

Veröffentlicht in: UTOPIE kreativ, H. 187 (Mai 2006), S. 438-448. Verfügbar über: Morus Markard in Utopie 2006

Morus Markard

Erziehung ist wieder in aller Munde, Gegenstand vielfältiger Erörterungen. Die massenmediale Präsenz des Themas – die RTL-Serie »Super-Nanny«, ein »Zeit-Dossier«, ein Ende 2004 erschienenes Sonderheft von »Psychologie heute« – zeugt davon ebenso wie die systematisch betriebene Verbreitung von Erziehungstechniken wie »STEP« (Training for effective Parenting) oder »Triple P« (Positive Parenting Program). Wie das Engagement für »anti-autoritäre Erziehung« (Ende der sechziger Jahre) und die Gegenbewegung »Mut zur Erziehung« in den 80er Jahren verweist auch die gegenwärtige – das Erziehungsproblem fokussierende – Debatte auf eine gesellschaftliche Problemlage. Sie scheint mir darin zu bestehen, dass die propagierten »Chancen« der so genannten Individualisierung ein angesichts der »Risiken«, die die neoliberale Entfesselung des »Marktes« mit sich bringen, grosso modo leeres Versprechen sind, dass die (mehr oder weniger) freie Entwicklung einiger mit der strukturellen Behinderung vieler einhergeht, dass traditionelle Wertvorstellungen wie etwa die, dass Fleiß sich lohne, materiell nicht unterfüttert sind, dass aber trotzdem Kinder zu nützlichen Gesellschaftsmitgliedern gemacht werden sollen, dass sie trotzdem nicht resignieren, fleißig sein, nicht gewalttätig werden, nicht aus dem Ruder laufen sollen – also in einer Gesellschaft, deren Krise jedem und jeder ins Gesicht schlägt, eine Orientierung kriegen sollen, die den gewünschten Verhaltensweisen förderlich ist. Lesen extern fortsetzen →

Rubrik: Online-Publikationen | Tags: