Das Verhältnis A.N. Leont’evs zu Ludwig Noiré. Wissenschaftshistorische und politische Hintergründe der Entstehung der Tätigkeitstheorie

Artikel von Peter Keiler in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

In zwei in der Literatur überlieferten Vorträgen von 1935 (vgl. A.N. Leont’ev 2006a u. 2006c) beruft sich A.N. Leont’ev zur Verdeutlichung seiner Konzeption der Entwicklung der Wortbedeutungen auf das „Hartig-Gesetz“. Recherchen, was es mit diesem „Gesetz“ recht eigentlich auf sich hat, führen zu dem deutschen philosophischen Schriftsteller Ludwig Noiré (1829-1889) und seinem 1880 erschienenen Buch Das Werkzeug und seine Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte der Menschheit. Bei eingehender Lektüre zeigt sich, dass Leont’ev offenbar nicht nur die auf dem „Gesetz des Gebrauchswechsels der Werkzeuge“ fußende Analogie der Entwicklung der Wortbedeutungen mit der Entwicklung der Werkzeuge von Noiré übernommen hat, sondern dass sein gesamter Ansatz nachhaltig von den ursprünglichen, um das Tätigkeitsprinzip zentrierten Konzeptionen Noirés beeinflusst ist, freilich auch in einigen Punkten erheblich von ihnen abweicht. Bei dieser Sachlage erhebt sich die Frage, warum Noiré (der von G.V. Plechanov in seinen Grundproblemen des Marxismus sogar als Krypto-Marxist gefeiert worden war) weder 1935 noch in späteren Texten Leont’evs jemals Erwähnung gefunden hat.

Summary: The relation of A.N. Leont’ev to Ludwig Noiré. Scientific-historical and political origins of Activity Theory.

Two lectures of 1935 quoted in the literature, A.N. Leontiev (2006a, 2006c) draws on the „Hartig law“ in order to explain his understanding of the development of word meanings. Further investigation leads to the German philosophical author Ludwig Noiré (1829-1889) and his book The Tool and its Relevance to the Developmental History of Humanity (statt humankind], published in 1880. Thorough reading reveals that Leontiev not only adopted the analogy of the development of word meanings with the development of tools, which is based upon the „law of alteration in the use of tools“, but rather that his complete approach was deeply influenced by Noiré’s original conceptions and their focus on the principle of activity. Hence the question arises why Noiré (whom G.V. Plekhanov, in his Basic Problems of Marxism, even celebrated as a crypto-Marxist) has neither in 1935 nor in later texts ever been given a mention by Leontiev.

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Kein Mittel ist nur Mittel. Subjektwissenschaft und die Ambivalenz der Technik

Artikel von Ernst Schraube in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

Subjektwissenschaftliche Psychologie, die die Probleme und Widersprüche der Menschen im alltäglichen Leben als Ausgangspunkt nimmt, benötigt auch ein Verständnis der Widersprüchlichkeit moderner Technik. Gegenüber der verbreiteten Vorstellung technischer Erzeugnisse als unproblematische Mittel zum Zweck, die ausschließlich die menschliche Handlungsfähigkeit und Verfügung über die Welt erweitern, wird für eine Verständnis der Technik als materialisiertes Handeln und widerspruchsvolle Formen des Lebens argumentiert. Darauf aufbauend werden unter Einbezug Kritischer Psychologie sowie Denkweisen aus der Wissenschafts- und Technikforschung unterschiedliche Dimensionen der Ambivalenz der Technik aufgezeigt, und Möglichkeiten diskutiert, wie subjektwissenschaftliche Psychologie zur Erforschung des Verhältnisses von Mensch und Technik beitragen kann.

Summary: No means is never just a means. Subject-scientific psychology and the ambivalence of technology

Psychology as a science of the subject, which takes the dilemmas and ambivalences of people in their everyday life as its starting point, requires an understanding of the ambivalences of modern technologies. In contrast to the common notion of technological creations as means to an end, which solely expands human agency and the participation in the world, the paper argues for a conception of technology as materialized action and contradictory forms of life. Furthermore the paper identifies in reference to critical psychology as well as theories from the field of science and technology studies different dimensions of the ambivalence of technology, and discusses the potential of subject-scientific theory for investigating the relationship between humans and technology.

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Störung oder Hinweis? Wenn Lernwiderstände zur Chance für die eigene Professionalisierung werden

Artikel von Thomas Rihm und Judith Mai in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

Widerständige Schüler/innen gelten gemeinhin als Belastung im Rahmen der Zielerreichung bzw. Outputorientierung von Schule. Von Lehrer/innen wird erwartet, dass sie die „Störer“ auf Linie bringen, um die Erreichung der Vorgaben am Schuljahresende sicherzustellen. Lernen, vom Gegenstand her optional, muss im Rahmen dieses Szenarios zweckrational als „herstellbare Größe“ umgedeutet werden. Dazu gehört, dass die Nichtbewältigung von Lernwiderständen den Lehrpersonen als Mangel zugeschrieben, also personalisiert wird. Anhand eines Fallbeispiels soll die Gratwanderung transparent gemacht werden, die die Vermittlung der widersprüchlichen Anforderungen für die betreffende Lehramtsstudentin darstellt. Nach anfänglichem Rückgriff auf institutionell nahegelegte Handlungsweisen lernt sie nun selbst in Distanz zu den Erwartungen Lernwiderstände ernst zu nehmen und sie auf die Widersprüche hin zu untersuchen, auf die sie hinweisen. In den Störungen aber Hinweise erkennen zu können gelingt es ihr nur, weil sie aus ihrer Betroffenheit heraus – begleitet durch ihr Literaturstudium und die Studiengruppe – zur Lernenden wird. In der Anerkennung der Expertise des widerständigen Schülers wird sie zur Erkennenden, lernt sie neue Handlungsmöglichkeiten kennen.

Summary: Obstacles or Signals? Resistance to learning as a chance for one’s one professional development…

The pupils’ resistance to learning is considered to put a significant strain on the school’s general orientation to achieve particular outputs. Teachers are expected to straighten out the „disruptors“ to ensure the school can attain its targets by the end of the academic year. In such a scenario, learning has to be redefined from an open voluntary process to a rationally „producible quantity“ directed to a pre-given objective. This logically entails that failing to overcome resistance to learning is ascribed to a failure on the part of the teacher, i.e., is personalised. A case study identifies the tightrope that a trainee teacher has to walk in negotiating these contradictory demands. After initial reverting to the institutionally suggested approaches, she learns to dissociate from those expectations and take the pupils resistance to learning seriously, i.e. tries to grasp the contradictions it refers to. She only manages this task because – supported by her study of the literature and the study group – she becomes a learner herself. In acknowledging the expertise of the pupil’s resistance to learning, she gains a new insight and discovers new possibilities of action.

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Supervision – über die Verhältnisse reflektieren und in ihnen handeln

Artikel von Stefan Busse in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

Supervision als reflexives und aufklärendes Verfahren hat das Ziel Handlungsfähigkeit im beruflichen resp. professionellen Handeln zu sichern. Mit Bezug auf die realen Widersprüche der Arbeitswelt wird dies immer prekärer. Eine kurze Rekonstruktion ihrer Geschichte zeigt, wie sich die eigenen reflexiven Horizonte erweitert haben – durch ihre Professionalisierung aber auch durch die Veränderung kontextueller gesellschaftlicher Bedingungen, die ein „Mehr“ an Reflexion einforderten. Zudem hat sich Supervision aus pragmatischen und Gründen der Marktpräsens anderen Feldern und konkurrierenden Beratungsformaten gegenüber (Organisationsentwicklung, Coaching) auch im Profitbereich geöffnet. Gegenwärtig ist Supervision (genauer der Supervisionsdiskurs) zwischen Aneignung und Abwehr dieser Erweiterungen verfangen. Das kann mitunter „Supervision unter eingeschränkter Reflexion“, „Supervision als reflektierter Handlungsverzicht“ und „Supervision als Reflexions- und Handlungsgrenze“ bedeuten, wie anhand von drei Fallvignetten gezeigt wird.

Summary: Supervision – reflecting on societal conditions and acting in them

As a reflective and clarifying process, supervision has the aim of enabling people to manage their professional and work situation. In face of the real contradictions in the working world, this is becoming increasing difficult. Briefly reconstructing the history of supervision shows how its own reflexive horizons have broadened, both due to its professionalisation and changes in societal conditions that demand greater reflection. In addition, for pragmatic reasons and because of the competing consulting available on the market in other areas (organisational development, coaching), supervision has become wider by taking on board similar profit-related concerns. At present, supervision (or more precisely, the supervision discourse) is caught between adopting those approaches and setting itself off against them. Three case studies illustrate the approaches of „supervision with limited reflection“, „supervision as reflected abstention from action“ and „supervision as a limit to reflection and action“.

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Unvollendete Transformationen: Widerstreitende Zugehörigkeiten, aufbrechende Geschlechterverhältnisse, Stadt-Land-Beziehungen. Arbeitsalltag in einem europäischen transnationalen Unternehmen in Mexiko

Artikel von Nora Räthzel, Diana Mulinari, Aina Tollefsen, Irene Molina und Paula Mählck in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

Die Autorinnen stellen die Einbettung eines transnationalen Unternehmens in die lokale Politik und Ökonomie dar und analysieren Formen der Konstituierung und Selbst-Konstituierung der Arbeitenden: Integrationsstrategien von oben, die Familientraditionen in Dienst nehmen und sie gleichzeitig zu europäisieren suchen, der Widerspruch von Produzentenstolz und Ausbeutungserfahrung, das Erodieren geschlechtsspezifischer Machtverhältnisse und die Ausnutzung weiblicher Arbeiterinnen zur Disziplinierung männlicher Arbeiter. Die neuen Formen der Arbeitsorganisation und die Verknüpfung von despotischen und hegemonialen Unternehmensstrategien diskutieren die Autorinnen als Neo-Taylorismus ohne Taylorismus.

Summary: Uncompleted transformations: fractured belongings, shifting gender relations, and urban-rural ambiguities within the workforce of a European transnational corporation in Mexico.

The authors present the insertion of a transnational corporation into the local economy and political landscape and analyse forms in which workers are constituted and constitute themselves: Strategies of integration from above use traditional family forms and try at the same time to Europeanise them, the contradiction between producer’s pride the experience of exploitation, the erosion of gender specific power relations and the usage of female workers to discipline male workers. New forms of work organisation and the combination of despotic and hegemonic strategies of the corporation are presented as Neo-Taylorism without Taylorism.

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Soziale Selbstverständigung als subjektwissenschaftliches Erkenntnisinteresse

Artikel von Ute Osterkamp in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

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Zusammenfassung

Im Artikel geht es um die zentrale Bedeutung des Begriffs „soziale Selbstverständigung“ für die Entwicklung einer Psychologie vom Subjektstandpunkt. Da eine wesentliche Behinderung sozialer Verständigung in der üblichen Praxis besteht, die Begründetheit der Sichtweisen anderer in Frage zu stellen, sobald deren Anerkennung die Überprüfung der Prämissen eigener Denk- und Handlungsweisen erfordern würde, wird im zweiten Teil der Begründungsdiskurs als Medium einer Psychologie vom Subjektstandpunkt skizziert. Im dritten Teil wird die „Abwehr“ aller Erkenntnisse, die zur Überprüfung der Prämissen eigenen Handels nötigen, als ein wesentliches subjektwissenschaftliches Konzept betont. Im letzten Teil wird die Gefahr konkretisiert, auf das Denken vom Standpunkt außerhalb zurückzufallen, sobald man von der Einbezogenheit eigenen Handelns in die zu überwindende Realität absieht.

Summary: Social self-understanding as the subject science interest in knowledge

This article considers the central significance of the term „social self-understanding“ in developing a psychology from the subject standpoint. Since a main obstacle to social understanding in normal practice consists in facing up to the consequences of accepting the groundedness of the other’s perspective when such an acknowledgement requires re-thinking the premises of one’s own thought and actions, the second section outlines the reason discourse as the medium of a psychology from the subject science perspective. The third section underlines the key subject science role played by the concept of the „rejection“ of all insights that could force one to reconsider the premises underlying one’s own actions. The final section concretises the danger of falling back into external standpoint thinking as soon as one ignores the involvement of one’s own actions in the reality that needs to be overcome.

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Die Gegenwart der Lager

Zur Mikrophysik der Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik

von Tobias Pieper

„AsylsuchDie Gegenwart der Lager.ende, de facto Flüchtlinge und geduldete MigrantInnen werden seit 1982 in lagerähnlichen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, die dezentral über das Bundesgebiet verteilt liegen. Dieses System wird als dezentrales halboffenes Lagersystem gefasst, der Lagerbegriff kritisch diskutiert (Agamben, Goffman, Herbert). Die Einwanderungsgeschichte in die Bundesrepublik Deutschland wird unter dem Gesichtspunkt der Lagerinstallation seit 1945 aufgerollt. Derzeit sind immer noch über 100.000 Menschen davon betroffenen, mit dem „Zuwanderungsgesetz“ wurden Ausreiseeinrichtungen (Ausreisezentren/Abschiebelager) zur Forcierung „freiwilliger“ Ausreisen als neue Lagerform kodifiziert. Der Einschluss der MigrantInnen in der gesellschaftlichen Exklusion findet weitgehend hinter dem Rücken einer kritischen Öffentlichkeit statt. Lesen fortsetzen

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Kategorialanalyse und Aktualempirie. Eine kritische Bemerkung zu Klaus Holzkamps Grundlegung der Psychologie

Veröffentlicht in: Journal für Psychologie Jg. 16 (2008), Ausgabe 2: Holzkamps Grundlegung der Psychologie. Nach 25 Jahren. Verfügbar über: Michael Zander in JfG 2008

Michael Zander

Zusammenfassung

Der Aufsatz thematisiert die Kategorialanalyse als empirisches Verfahren zur Konzipierung psychologischer Grundbegriffe. Es wird gezeigt, dass die in der Grundlegung der Psychologie vertretene Auffassung, Kategorien seien ausschließlich historisch-empirisch fundierbar, nicht zu halten ist; vielmehr kann Aktualempirie in die Kategorialanalyse eingehen. Abschließend wird gefragt, was dies für das Profil der Kritischen Psychologie heißt.

Schüsselwörter: Kategorien, Einzeltheorien, historische und Aktualempirie, Vorbegriffe

Summary

The article is concerned with the concept of categorial analysis as an empirical method for the conceptualization of the fundamental terms of psychology. It is shown that Holzkamp`s notion, that categories can exclusively be founded by means of historic empiricism, is indefensible; in fact it is possible that actual empiricism becomes part of the categorical analysis. Finally, the article will raise the question about the consequences of this theoretical shift for the Critical Psychology itself.

Keywords: psychological categories, single theories, historic and actual empiricism, pre-terms

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Überlegungen zur Konstruktion des beruflichen Selbstverständnisses einer Kritischen Psychologin

Veröffentlicht in: Journal für Psychologie Jg. 16 (2008), Ausgabe 2: Holzkamps Grundlegung der Psychologie. Nach 25 Jahren. Verfügbar über: Sylvia Siegel in JfP 2008

Sylvia Siegel

Zusammenfassung

Die Autorin, die in freier Praxis als Therapeutin, Supervisorin und Dozentin arbeitet, orientiert sich an vier Dimensionen, um ihr berufliches Selbstverständnis als Kritische Psychologin unter postmodernen Bedingungen zu verdeutlichen. 1. Relevanz der Kritischen Psychologie für ihr Arbeitsfeld. Diese sieht sie unter Rückgriff auf das gesellschaftlich konstituierte Subjekt als gegeben an. 2. Bruchstückhafter Transfer der Kritischen Psychologie in die Praxis. 3. Integration kritisch-psychologischen Denkens in ihr Arbeitsfeld, was sie theoretisch unter Bezugnahme auf kritisch-psychologische Denkfiguren und integrative Beratungsmodelle begründet. 4. Kommunikative Transferleistungen zwischen den Denk- und Sprachkulturen der Kritischen Psychologie und denjenigen ihrer Klientel als soziale Interaktionskomponenten.

An einem Praxisbeispiel skizziert die Autorin, wie Kritische Psychologie als Baustein in einer integrativen Beratungsform effizient ist.

Schüsselwörter: berufliches Selbstverständnis, Identität, Beratung, Theorie-Praxis-Transfer

Summary

The author, who is working as a therapist, supervisor, and lecturer, focusses on four dimensions to explicate her professional self awareness in a post-modern society: 1. The relevance of Critical Psychology for her field of work, which she considers to be a given for the socially constituted subject. 2. The fragmented transfer of Critical Psychology to practical work. 3. The integration of Critical Psychology in her field of work, which she explains on a theoretical level by using theoretical concepts of Critical Psychology, as well as integrative counselling models. 4. She points out the meaning of communicative transmission between the cultures of thinking and the language of Critical Psychology and those of her clients as components of social interaction. Using a case example, the author points out how Critical Psychology can be used as an efficient part of an integrative counselling setting.

Keywords: professional self awareness, identity, counselling, theory-praxis- transfer

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Kritische Psychologie im Neoliberalismus

Veröffentlicht in: Journal für Psychologie Jg. 16 (2008), Ausgabe 2: Holzkamps Grundlegung der Psychologie. Nach 25 Jahren. Verfügbar über: Christina Kaindl in JfP 2008

Christina Kaindl

Zusammenfassung

Die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse, die neoliberal-kapitalistischen Strategien der Verwertung und In-Wert-Setzung greifen auf eine neue Weise auf die Subjekte zu, mobilisieren sie, versprechen ihnen Freiheit und Selbstbestimmung, binden sie andererseits enger an die Notwendigkeiten des Marktes. In dieser Diagnose sind sich fast alle einig, die zur Frage der neuen Subjektivitäten im Neoliberalismus arbeiten. Strittig allerdings ist, wie diese neue Aufmerksamkeit fürs Subjekt theoretisch so begriffen werden kann, dass die Theoriesprache selber nicht die Subjekte unter der Hand zu bloßen Effekten der gesellschaftlichen Anforderungen macht. Das Zueinander von gesellschaftlicher Bestimmtheit und subjektiver Bestimmung, die Widersprüche, durch die die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt sind, müssen sichtbar und denkbar werden.

Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit die in der Grundlegung der Psychologie systematisierten Denkmittel der Kritischen Psychologie eine Analyse dieser gesellschaftlichen Veränderungen ermöglichen. Kontrastiert werden soll diese Fragestellung mit dem Ansatz der Gouvernementalitätstheorien, die unter Bezug auf Foucault ebenfalls Analysen neuer Subjektanforderungen vorgelegt haben.

Schüsselwörter: Neoliberalismus, Kritische Psychologie, Gouvernementalität, Soziologie der Emotionen, neue Steuerungsmodelle in der Arbeit, Lacan-Kritik, Holzkamp, Gramsci

Summary

The new models of work ethics and management concepts pose new demands on the subjects, that are referred to as »self-governing« by the governementality studies. They liberate them from fordistic boundaries but are market-mediated and often quickly turn out to be coercive. To analyze both aspects a theory of the subject is needed, that differentiates between societal demands on the one hand and how they are realized or declined by the acting subjects on the other. The article shows that there are some shortcomings within the governementality studies regarding this differentiation (due to the subjectivity-concept taken from Lacan) as well as in framing the management concepts within the demands of the new, neoliberal mode of production and patterns of living (Gramsci) that are fought for – from above and below, within work, concepts of the wellfare state and everyday culture. Referring to the Berlin school of Critical Psychology the article shows how these demands are brought forward by mobilization of emotions and discusses this as a new form of »restrictive action potency«. By doing so it aims to modernize the Critical Psychology to meet the new forms of neoliberal domination and action potency.

Keywords: Critical Psychology, Holzkamp, neoliberal mode of production and patterns of living, governementality studies, sociology of emotions, Lacan-critique, Gramsci

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