Gattung – Gen – Epigen

Zu einigen empirischen Befunden der Genomforschung und dem Wandel in der Vorstellung von Vererbung: Konsequenzen für das Konzept der „gesellschaftlichen Natur“

Artikel von Vanessa Lux in Forum Kritische Psychologie 55 (2011).

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Zusammenfassung

Um das Verhältnis von biologischer Grundlage und Gesellschaftlichkeit menschlicher Subjektivität in seiner Verschränkung aber gleichzeitigen Hierarchisierung theoretisch zu fassen, wurde in der Kritischen Psychologie das Konzept der „gesellschaftlichen Natur“, verstanden als gattungsmäßige Potenz zur Vergesellschaftung, eingeführt. Damit ist es gelungen, das Primat der Biologie bzw. Naturwissenschaften für eine aktual-empirische Erforschung psychischer Prozesse als biologistisch zurückzuweisen – und dies auch aus der Biologie heraus zu begründen. Diese Zurückweisung basierte allerdings auf einigen Annahmen über Vererbung und die Zentralität genomischer Information, die durch die Genomforschung infragestellt wurden. Im Beitrag wird dieser Diskrepanz nachgegangen. Abschließen wird dafür plädiert, Susan Oyamas Ansatz einer Developmental Systems Theory als Ausgangspunkt für ein neues Verständnis von Vererbung in die kritisch-psychologische Theoriebildung zu übernehmen und die gesellschaftliche Natur des Menschen als gesellschaftlich vermitteltes Entwicklungssystem zu fassen. Nicht zuletzt ergeben sich hieraus neue Argumente, um auch zukünftig biologistische Denkformen in Bezug auf das Psychische zurückweisen zu können und einer fortschreitenden Genetifizierung menschlicher Lebensäußerungen etwas entgegenzustellen.

Summary: Genus – Gene – Epigene. Some empirical findings of genome research and changes in the concept of inheritance: consequences for an understanding of the „societal nature“ of the human being

In Critical Psychology, the concept of the “societal nature” of the human being – understood as general developmental potential of human beings to live in societies – was introduced to conceptualize the intertwined but hierarchical relationship between the societal character of subjectivity in humans and its biological basis. With this concept it was possible to reject a primarily and solely biological or biomedical approach to psychological phenomena as biological determinism. Underlying this rejection is a notion of inheritance according to which the genomic information is the only player on the field of transgenerational transmission. However, this notion has been challenged by recent genomic research. The article discusses this discrepancy. In addition, the author proposes to use Susan Oyama’s Developmental Systems Theory as starting point to formulate a new understanding of inheritance within the framework of Critical Psychology conceptualizing the societal nature of the human being as societal embedded developmental system. Last but not least this would enable further rejection of biological determinism in psychology as well as a critique of the ongoing genetification of human life based, again, on the state of the art of biological theory and research.

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