Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Kritischen Psychologie

Artikel von Ute Osterkamp in Forum Kritische Psychologie 59 (2017)

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Zusammenfassung

Kritische Psychologie als Wissenschaft vom Standpunkt des verallgemeinerten Subjekts impliziert einen prinzipiellen Paradigmenwechsel. Im Gegensatz zur üblichen Forschung vom Außenstandpunkt geht es nicht um die Erforschung der Einflussmöglichkeiten auf die Denk-und Handlungs-weisen anderer als vielmehr um „soziale Selbstverständigung“ über die subjektive Notwendigkeit der Überwindung gesellschaftlicher Verhältnisse, unter denen eine solche Ausrichtung als selbstverständlich erscheint. Zentraler Gegenstand der Forschung sind dabei die vielen Formen, in denen die Wahrnehmung dieser Aufgabe systematisch behindert ist. Dazu gehört die gängige Entgegensetzung von Individuum und Gesellschaft bzw. die Trennung von Psychologie und Soziologie, durch welche die Möglichkeit der bewussten Einflussnahme auf die relevanten Lebensbedingungen in der einen wie anderen Disziplin systematisch ausgeschlos-sen ist. Damit kann sich auch nicht die Frage nach den Voraussetzungen stellen, die gefordert wären, um diese Möglichkeit zu realisieren sodass auch die vielfältigen Behinderungen, die dieser Realisierung entgegenstehen, wissenschaftlicher Analyse entzogen bleiben. In gleicher wirkt auch die allgemeine Entgegensetzung von Theorie und Praxis.

Summary: Contradiction between aspiration and reality in Critical Psychology

Critical Psychology as a “psychology from the standpoint of a general-ized subject” implies a principle change of paradigm. In contrast to the external standpoint of mainstream psychology with its focus on the ques-tion of how people`s views and actions can be directed and controlled in line with ruling standards and interests, the central knowledge interest and main method of a psychology from the standpoint of the generalized subject refers to the subjective necessity of recognizing and overcoming our active entanglement with the conditions of our own disempowerment and estrangement.

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Anmerkung zu »Lernen lehren und Lehren lernen« (Frigga Haug, FKP 57)

Artikel von Markus Lauenroth in Forum Kritische Psychologie 59 (2017)

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Zusammenfassung

Der Text fasst – am Beispiel des Verhältnisses von Lehren und Lernen − zentrale Punkte einer Diskussion mit Frigga Haug über den spezifischen Stellenwert kritisch-psychologischer Kritik zusammen. Diese bezieht sich nicht unmittelbar auf das Handeln einzelner LehrerInnen oder SchülerIn-nen, sondern auf die gesellschaftlichen Bedeutungsmuster, durch welche deren Beziehungen untereinander sowie ihre spezifischen Handlungsmög-lichkeiten vermittelt sind. Die Kategorien dienen zur sozialen Selbstverständigung über die jeweils eigene Verstrickung in gegebene Macht- und Unterdrückungsverhältnisse und damit über die prinzipielle Einheit von Welt- und Selbstveränderung

Summary: Remarks on the “Learning teaching and teaching learning” (Frigga Haug, FKP 57)

The remarks summarize key points of a discussion with Frigga Haug about Holzkamps critique on the prevailing assumption of a direct cor-respondence between teaching and learning. They highlight the particular status of a critical psychological critique that does not refer to the actions of individuals or groups – teachers or students – but to social meaning pat-terns which affect our views on the world, our social relationships, and on ourselves. The basic concepts of Critical Psychology refer to processes of social self-understanding of our entanglement in existing power and dominance relationships and the coincidence ofchanging circumstances and changing oneself.

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Zur kritischen Psychologie von Widerstand. Oder Zum Verhältnis von Theorie und Praxis

Artikel von Frigga Haug in Forum Kritische Psychologie 59 (2017)

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Zusammenfassung

Im Mittelpunkt die Kategorie der Handlungsfähigkeit in der Kritischen Psychologie bei Klaus Holzkamp, bei Ute Osterkamp und die Arbeit damit in eigener Lehr und Forschungspraxis. Aus der Lehre in der Erwachsenen-bildung folgt aus der Aneignung und Vermittlung der „Kulturellen Wende“ die Weiterarbeit mit Widersprüchen und dem Eigensinn der Lernenden. Neue Forschungen zu Erfahrung und Lernen werden notwendig. Letzteres führt zum Studium der Schriften und der Herangehensweise von Rosa Luxemburg mit Kritisch-Psychologischem Blick. Politik der Befreiung muss von Beginn an als Lernprojekt gestaltet werden. Sie ist ein Experiment und setzt auf die Beteiligung aller. Sie ist mithin Politik von unten. Theorie und Praxis sind nicht je eigene Bereiche, sondern in einem Wechselprozess einander verschränkt. So auch Individuelle und gesellschaftliche Entwicklung. Dies wird in der Kritischen Psychologie mit dem Begriff der Handlungsfähigkeit gefasst, der darum von vornherein kritisch sich auf beide bezieht, auf die Individiuen wie auf die Gesellschaft, historisch in Entwicklung und kritisch zu erkennen. Dies wird in Auseinandersetzung mit Holzkamp und vor allem mit Osterkamp an den Bestimmungen von „restriktiver und verallgemeinerter“ Handlungsfähigkeit diskutiert. Die Begriffe werden erweitert und alternative Formulierungen vorgeschlagen.

Summary: On critical psychology of resistance. Or: on the relation between theory and practice

The essay focuses on the concept of capacity for action (agency) in Criti-cal Psychology as developed by Klaus Holzkamp and Ute Osterkamp and presents how I worked with these categories in my own practice of teach-ing and research. Out of my praxis of teaching adults I came to the cul-tural turn in social theory and gained out of both for my further studies to concentrate on contradictions and the special emphasis the students devel-oped. Further research on experience and learning proved to be necessary. The latter led to the study of the writings and the theoretical and political approach of Rosa Luxemburg with critical-psychological view. Politics of liberation must be shaped from the beginning as a Project of learning. It is an experiment and is based on the participation of all. Therefore it is politics from below. Theory and praxis are not each an area of its own but entangled in an inter-relation. The same goes for individual and social development. In Critical Psychology this is articulated with the concept of capacity for action (agency), which therefore from the beginning critically refers to both the individuals as well as society, to be recognized his-torically in development and critically. This is discussed in the works of Holzkamp an especially Osterkamp in their definition of “restrictive and generalized capacity for action (agency). The concepts are enlarged and alternative articulations are proposed.

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SAVE THE DATE 24.03.-25.03.2018

Praxis der Kritischen Psychologie in Deutschland und der Türkei
Praxis of Critical Psychology in Germany and Turkey
Almanya’da ve Türkiye’de eleştirel psikoloji uygulamaları

Ort: Rosa Luxemburg Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin

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Fünfter kritisch-psychologischer Salon 2017

Rechtspopulismus im High-Tech-Kapitalismus

Ort: KulturKiezKneipe Laika,
Emser Straße 131, S+U Neukölln

Zeit: Freitag, 10. November 2017, 19.00 Uhr s.t.,
Einlass ab 18.30

Vorgestellt wird ein Forschungsprojekt zur AfD in Sachsen-Anhalt. Dabei werden das Auftreten und die Attraktivität rechtspopulistischer Strömungen und Diskurse im Zusammenhang mit Konjunkturen und Krisen des High-Tech-Kapitalismus betrachtet. In Sachsen-Anhalt erhielt die AfD bei den Landtagswahlen im März 2016 24,3%, bei den Bundestagswahlen im September 2017 19,6% der Stimmen, wobei die Wahlbeteiligung jeweils relativ hoch war (61,1% u. 68,1%). Die öffentlich ventilierten Deutungen dieses Phänomens abstrahieren aus kritisch-psychologischer Sicht sowohl methodisch als auch gesellschaftstheoretisch und subjektwissenschaftlich von wesentlichen Aspekten ihres Gegenstandes. Dabei geht es gerade auch um Blindstellen innerhalb kritischer Theorie und linker Praxis. In einem kollektiven Forschungsprozess versuchen wir Alternativen zu entwickeln, so dass eine Analyse des Rechtspopulismus entsteht, die zugleich Eingriffsmöglichkeiten im Sinne der Stärkung (kollektiver) verallgemeinerter Handlungsfähigkeit eröffnet.

Dr. Katrin Reimer-Gordinskaya ist Professorin am Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften an der Hochschule Stendal.

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Forum Kritische Psychologie 59

Die politische Dimension des Subjektiven

Kreatives Problemlösen

Nach 39 Jahren ist »Die politische Dimension des Subjektiven« die letzte Ausgabe des Forum Kritische Psychologie. Aus dem Blick verloren habe man den Gründungsanspruch, erklären die Mitherausgeberinnen Frigga Haug und Ute Osterkamp diese Entscheidung. Das Heft erinnert an diesen Anspruch – Kritische Psychologie als marxistische Subjektwissenschaft zu begründen und methodologisch ganz neu zu erarbeiten – mit einem Auszug aus dem noch in Arbeit befindlichen Band 9/I des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (aus dem Stichwort ʻMaterialismus, praktisch-dialektischerʼ von Wolfgang Fritz Haug). Die Beiträge von Frigga Haug, Ute Osterkamp und Gisela Ulmann beschäftigen sich alle – auf unterschiedlicher Ebene – mit dem Verhältnis von Theorie und Praxis sowie der subjektiven Notwendigkeit eines selbstbestimmten Lebens. Markus Lauenroth trägt in seinem Text zur Klärung der Bedeutung kritisch-psychologischer Begrifflichkeit bei. Den Abschluss des Heftes bildet ein Gespräch, das Michael Zander mit Gisela Ulmann über ihre berufliche Praxis geführt hat.

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Vierter kritisch-psychologischer Salon 2017

„Wer motiviert warum wen wozu – und wer lässt sich motivieren?
Fragen an die Psychologie der Motivation“

Ort: KulturKiezKneipe Laika,
Emser Straße 131, S+U Neukölln

Zeit: Freitag, 14. Juli 2017, 19.00 Uhr s.t.,
Einlass ab 18.30

„Motivation“ soll das Gesamt von Beweggründen für menschliches Handeln bezeichnen, umfasst also Motive, Bedürfnisse, Wille, Verlangen, Begehren, Triebe, Interessen usw. Da ist wohl kaum Eindeutigkeit zur Beantwortung der Frage, was „Motivation“ ist, zu erwarten. Demgegenüber sind in kritisch-emanzipa-torischer Perspektive zwei Fragen zentral: erstens, ob und wie gesellschaftliche und individuelle Aspekte im Gesamt von Beweggründen des Handelns berücksichtigt und macht-kritisch ins Verhältnis gesetzt werden; und zweitens, ob und wie andere Menschen „motiviert“ wer-den, also dazu gebracht werden sollen, zu wollen, was sie sollen (und welche Interessen dabei bedient, emanzipatorisch ausgewiesen oder ggf. maskiert werden) – oder ob und wie Menschen selber Aufschluss über ihre eigenen Beweggründe und deren Widersprüche gewinnen wollen. Unter allen Umständen ist auch zu klären, ob und inwieweit Menschen sich „Illusionen“ über die „wirklichen Motive ihrer Handlungen“ (Marx) machen. Dies ist auch ein Problem versteckter „Motivierungen“ wie beim sog. „nudging“, dessen rechtliche und moralische Probleme mit diskutiert werden sollen.

Prof. Dr. Morus Markard, Dipl.-Psych., Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin.

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Dritter kritisch-psychologischer Salon 2017

„Praxis verändern mit Betroffenen: Wie (Teilhabe-)Konflikte produktiv gestalten?“

Ort: KulturKiezKneipe Laika, Emser Straße 131, S+U Neukölln

Zeit: Freitag, 09. Juni 2017, 19.00 Uhr s.t., Einlass ab 18.30

Durch das Arbeitsprinzip Partizipation in der Sozialen Arbeit sollen Praxen Unterstützung finden, die Wissensdomänen der Beteiligten konsequent als gleichwertig respektieren. Aktuelle Praxisbeispiele aus Deutschland und USA zeigen, wie u.a. mit Familien bestehende Angebote einer kritischen Prüfung und Weiterentwicklung unterzogen wurden. Konflikte im Zusammenhang mit der Stärkung der Selbstorganisation einerseits und der Etablierung von Vereinnahmungsprozessen anderseits sind dabei nur ein Feld, in dem aufscheint, dass dialogische Praxen keineswegs als konfliktarm, sondern viel mehr als konfliktreich zu kennzeichnen sind.  Wie Konfliktlinien, die nicht selbstverständlich zwischen Professionellen und Angebots-Nutzer_innen, sondern gegebenenfalls zwischen Professionellen und ihren institutionellen Rahmen verlaufen, im Kontext subjektwissenschaftlicher Praxisforschung produktiv aufgegriffen werden können, kann bei dieser Gelegenheit diskutiert werden.

Prof. em. Dr. Timm Kunstreich war Hochschullehrer an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie.

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