Niederschläge. Die Konzeption unbewussten Leides in Alfred Lorenzers kritischer Theorie des Subjekts

Artikel von Tom David Uhlig in Forum Kritische Psychologie Spezial (2016)

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Zusammenfassung

Alfred Lorenzers Arbeiten bewegen sich in einem Spannungsfeld von psychoanalytischer
Sozialpsychologie, Kritischer Theorie und psychoanalytischer Praxis. In der Absicht, den Triebbegriff Freuds seiner idealistischen wie biologistischen Verkürzungen zu entkleiden, wie sie etwa von Ich-psychologischen ‚Revisionist_innen‘ vorgenommen wurde, versucht sich Lorenzer an dessen materialistischer Fundierung. Seine metatheoretischen Überlegungen umkreisen eine Sozialisationstheorie, die eingedenk der Natur im Subjekt die gesellschaftliche Verfasstheit des Unbewussten auf Grundlage konkreter Interaktionsprozesse bestimmt. Ziel dieses Aufsatzes ist es, Grundzüge Lorenzers Sozialisationstheorie im Hinblick auf das Entstehen psychischen Leides sowie die psychoanalytische Behandlungspraxis zu diskutieren.

Summary: The conception of unconscious suffering in Alfred Lorenzer‘s critical theory of the subject

The work of Alfred Lorenzer stresses a metatheoretical reformulated notion of drive by renouncing its idealistic or biologistic reduction as implied by ego-psychological revisionists. Between psychosocial studies, critical theory and psychoanalytic practice Lorenzer developes a socialization theory of interaction that considers the dialectial tension of nature and society in the subject. The aim of this paper is to discuss the basics of Lorenzer‘s socialization theory regarding its significance to psychoanalytic practice and the origin of mental suffering.

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Unter der Fuchtel des Unbewussten? Kritische Psychologie, psychisches Leiden und das Unbewusste

Artikel von Christian Küpper in Forum Kritische Psychologie Spezial (2016)

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Zusammenfassung

Die Kritische Psychologie entwickelte ihr Verständnis des Unbewussten in expliziter Auseinandersetzung mit der Freudschen Psychoanalyse. Der Aufsatz rekonstruiert die Stellung des dynamisch Unbewussten innerhalb der kritisch-psychologischen Theorie menschlicher Subjektivität und analysiert die Verbindung zwischen dem dynamisch Unbewussten und der Konzeption der Selbstfeindschaft. Davon ausgehend diskutiert der Beitrag die enge Verknüpfung dieser Konzeption mit psychischen Problemlagen. Es wird argumentiert, dass diese Verknüpfung in ihrem Geltungsbereich einzuschränken sei. Abschließend werden Thesen für einen erweiterten Zugang zu psychischen Problemlagen und deren Beziehung zu unbewussten Erfahrungsanteilen skizziert. Dem Begriff der Psychisierung kommt dabei eine zentrale Rolle zu.

Summary: Under the rod of the unconscious? Critical Psychology, psychic suffering and the unconscious

Critical Psychology derived its idea of the unconscious from a direct analysis of the Freudian Psychoanalysis. This essay reconstructs the position of the dynamic unconscious within the critical-psychological theory of subjectivity and analyses the link between the dynamic unconscious and the conception of self-hostility. Therefrom, this essay discusses the tight conjunction of this conception with mental problems. The main thesis however is, that this conjunction has to be limited by its area of application. Finally, proposals for a broader approach to mental problems and its relations to unconscious parts of the experience will be outlined. The notion of psychization will therefore play a central role.

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Die Tochter des Hausherrn und das Proletenkind. Das kritisch-psychologische Konfliktmodell, angewandt auf ein Fallbeispiel von Sigmund Freud

Artikel von Michael Zander in Forum Kritische Psychologie Spezial (2016)

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Zusammenfassung

Der Aufsatz vergleicht das psychoanalytische und das kritisch-psychologische Konfliktmodell, um letzteres zu konkretisieren und zu operationalisieren. Das kritisch-psychologische Modell wird anhand eines Fallbeispiels von Freud diskutiert, dass von den unterschiedlichen Erfahrungen eines „Proletenkindes“ und der Tochter eines Hausbesitzers handelt. Aus einer kritisch-psychologischen Perspektive ist es entscheidend, die der Geschichte zugrundeliegenden Normen zu untersuchen, die Klassen- und Geschlechterverhältnisse ausdrücken und die in kapitalistischen Gesellschaften dynamisch sind. Die allgemeine Frage wäre, wie Menschen angesichts solcher Normen fühlen, denken und handeln. Es wird argumentiert, dass die Erfahrungen im Umgang mit diesen Normen vielfältig sein mögen, aber nicht beliebig. Daher sollte es möglich sein, kritisch-psychologische Kasuistiken und spezifische Theorien über „Störungen“ zu entwickeln.

Summary: The daughter of the landlord and the proletarian’s child. The critical-psychological model of conflict, applied to a case example of Sigmund Freud

The article compares the psychoanalytical and the critical-psychological model of conflicts, in order to substantiate and operationalize the latter one. The criticalpsychological model is discussed on basis of Freud’s case example which is about the different experiences of a landlord’s daughter and a „proletarian’s child“. From a critical-psychological perspective it is crucial to examine the underlying norms of the story which are expressions to class and gender based power relations and which are dynamic in capitalist societies. The general question would be how people feel, think and act when confronted with these norms. It is argued that experiences in dealing with norms might be manifold but not arbitrary. So it should be possible to develop critical-psychological casuistics and specific theories of „disorders“.

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Praxisforschung über Psychotherapie: Perspektivenwechsel und Begriffsentwicklung

Artikel von Ole Dreier in Forum Kritische Psychologie Spezial (2016)

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Zusammenfassung

Dieses kritisch-psychologische Praxisforschungsprojekt versteht Klienten als Subjekte
aus der Perspektive eines komplexen Alltagslebens, zu dem für eine gewisse Zeitspanne Gespräche im Rahmen einer Psychotherapie gehören. Dies eröffnet einen neuen, dezentrierten Zugang zur Funktion von Therapie aus der Perspektive des Alltagslebens der Klienten. Dargestellt wird das enge Zusammenspiel zwischen der Entwicklung von Begriffen und empirischen Einsichten, das für die Analyse des Interviewmaterials nötig war. Die wichtigsten Ergebnisse der sich daraus ergebenden Veränderungs- und Lernprozesse werden vorgestellt. Derartige Forschungsprojekte verweisen auf eine neue Sicht auf Intervention und eröffnen eine neue Perspektive auf die Praxis von Therapeuten, die Macht von Experten und das institutionelle Arrangement ihrer Praxis im Verhältnis zum Alltagsleben der Betroffenen.

Summary: Practice research about psychotherapy: Change of perspective and development of concepts

This practice research project rests on a critical psychological foundation. It studies clients as subjects from the perspective of their complex everyday life to which their therapy talks are added for a period of time. That opens a new, decentered approach to the mode of working of therapy from the perspective of the everyday life of the clients. The close interplay between development of concepts and of empirical insights, which is needed to analyze the interview material, is presented. The most important outcomes of this new view on therapy related processes of change and learning are then presented. Research projects such as this refer to a new view on intervention and open a new perspective on the practice of therapists, the power of experts and the institutional arrangement of their practices in relation to the everyday lives of people.

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Was bedeutet „Den Gegenstrom schwimmen“ für die Kritische Psychologie?

Eröffnungsvortrag zur Ferienuni Kritische Psychologie, 16. September 2014

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie Spezial (2016)

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Zusammenfassung

Der Titel der Ferienuni „Den Gegenstrom schwimmen“ verweist auf Holzkamps Einlassung, Wissenschaft sei ein „prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen“, damit auf einen emphatischen und „entfalteten“ Wissenschaftsbegriff, der nicht nur Kritische Psychologie meint, sondern Wissenschaft generell, und – auch als Einladung an andere Ansätze – auf die Verminderung von Fremdbestimmung zielt. Kritische Psychologie ist dabei kein Konkurrenzunternehmen zur Psychologie, sondern deren integraler Teil mit dem Anspruch, in der Bearbeitung der Kernprobleme des Fachs Befreiungsperspektiven aufzuzeigen, orientiert am Paradigma marxistischen Denkens. Was dies für „Subjektivität“, „Handlungsfähigkeit“ und das Verhältnis von wissenschaftlichem Ansatz und sozialer Bewegung bedeutet, wird diskutiert, u.a. mit dem Ergebnis, dass „verallgemeinerte Handlungsfähigkeit“ kein (politisch usurpierbarer) empirischer Sachverhalt ist, sondern das analytische Regulativ für die Unabschließbarkeit des Projekts menschlicher Emanzipation.

Summary:  What does „to swim the counterstream“ mean for Critical Psychology? (Opening speech at the Ferienuniversität Kritische Psychologie, 16th of September, 2014)

The titel of the Ferienuniversität „swimming the counterstream“ links to the note of Holzkamp, stating that science fundamentally means „to swim against the mainstream“, implying an empathetic and ‘spreaded’ concept of sciene. This does not only refer to Critical Psychology, but also to science in general and – meant as an invitation for other scientific approaches – aims to decrease heteronomy. Critical Psychology is not meant to be a competitive approach to scientific psychology, but as an integral part of it with the claim to reveal emancipatory perspectives whilst working on the subjects’ core problems, led by marxist thinking. What does this mean for ‘subjectivity’, ‘action potence’ and for the relation between scientific approaches and social movements? These questions will be discussed and amongst others with the result, that the general action potence is not an empirical issue which can be politically usurped, but the analytic regulatory for the interminability of the human emancipatory project.

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Forum Kritische Psychologie Spezial

Den Gegenstrom schwimmen

Herausgegeben von Maria Hummel, Leonie Knebel, Christian Küpper und Michael Zander

fkp spezial titelbildDas vorliegende Sonderheft des Forum Kritische Psychologie (ISBN 978-3-86754-601-0, 13 €) enthält ausgewählte Beiträge der neunten Ferienuniversität Kritische Psychologie, die 2014 unter dem Titel „Den Gegenstrom schwimmen“ stattfand. Die Mehrzahl der Beiträge setzt sich mit bedeutenden Ansätzen und ihrem Verhältnis zur Kritischen Psychologie auseinander, mit der Psychoanalyse und dem Poststrukturalismus. Themen sind u.a. die Diskussion zwischen psychoanalytischen Ansätzen und der Kritischen Psychologie über das Unbewusste, das Verhältnis von Feminismus, historischem Materialismus und Poststrukturalismus, der Einfluss der Romantik auf die Geschichte der Psychologie, feministische Perspektiven auf die Austeritätspolitik und Praxisforschung über Psychotherapie.

 

Inhalt

Editorial

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Morus Markard
Was bedeutet „Den Gegenstrom schwimmen“ für die Kritische Psychologie?

Ole Dreier
Praxisforschung über Psychotherapie: Perspektivenwechsel und Begriffsentwicklung

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Michael Zander
Die Tochter des Hausherrn und das Proletenkind. Das kritisch-psychologische Konfliktmodell, angewandt auf ein Fallbeispiel von Sigmund Freud

Christian Küpper
Unter der Fuchtel des Unbewussten? Kritische Psychologie, psychisches Leiden und das Unbewusste

Tom David Uhlig
Die Lebensverhältnisse sind Lebensgeschichte. Eine Ent-gegnung auf Christian Küpper

Tom David Uhlig
Niederschläge. Die Konzeption unbewussten Leides in Alfred Lorenzers kritischer Theorie des Subjekts

Christian Küpper
Natürliche Verbündete? Kommentar zu Tom David Uhlig

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Martin Fries
Emanzipatorisch denken, aber wie? Zum Verhältnis von historischem Materialismus und Poststrukturalismus

Christoph Bialluch
Ein sprachliches Unbewusstes. Über Lacans Konzept des Unbewussten im Verhältnis zur Sprache

Christina Kaindl
Links zu Lacan? Einige kritisch-psychologische Überlegungen

Fiona Kalkstein
Mit der Phylogenese gegen Biologismus argumentieren. Eine feministische Weiterentwicklung Kritischer Psychologie

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Sascha Frank
Die Romantik in der Geschichte der Psychologie

Annette Maguire
Feministische Subjektivität und neoliberale Herrschaft

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Einwürfe

Janis Walter & Raphael Cuadros
„I am starting with the man in the mirror.” Individualisierung gesellschaftlicher
Transformation als politische Sackgasse

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Rezension

Leonie Knebel
Sag mir, wo du störst. Ariane Brenssell und Klaus Weber haben einen lesenswerten Band über „Störungen“ herausgegeben

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Zusammenfassungen der Beiträge/ Summaries

Über die Autorinnen und Autoren

Impressum

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Zweiter kritisch-psychologischer Salon 2016

Emanzipatorisch denken – aber wie?

Plakat_Werkstatt_KP_A2_2016_Referenten: Martin Fries, Christian Küpper, Michael Zander

Zeit: Freitag, 15. April 2016, 19 bis 21 Uhr
Ort: Laika, Emser Straße 131, S+U Neukölln

(Der Salon kann ab 18:30 mit einem Getränk und Zeit für ein persönliches Gespräch beginnen, um 19 Uhr s.t. geht’s mit dem Vortrag los.)

Das nun vorliegende Sonderheft des Forum Kritische Psychologie enthält ausgewählte Beiträge der neunten Ferienuniversität Kritische Psychologie, die 2014 unter dem Titel »Den Gegenstrom schwimmen« stattfand. Ein großer Teil der Beiträge widmet sich themenbezogen dem Verhältnis der Kritischen Psychologie zu in linken Kreisen breit rezipierten psychoanalytischen und poststrukturalistischen Ansätzen. Michael Zander gibt zunächst einen Überblick über das Heft und seine inhaltliche Ausrichtung. Im Anschluss zeichnet Christian Küpper die Diskussionen um das Unbewusste nach, in denen kritisch-psychologische Gedanken mit den psychoanalytischen Konzeptionen Jacques Lacans und Alfred Lorenzers konfrontiert wurden. Abschließend wird Martin Fries seine Überlegungen zum Verhältnis von historischem Materialismus und Poststrukturalismus anhand von Fragen zu Identitätspolitik, sprachlicher Gewalt und Subjektpositionen vorstellen.

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Adolf Hitler nach-gedacht. Person, Psychologie, Faschismus

Klaus Weber (2016). Adolf Hitler nach-gedacht. Person, Psychologie, Faschismus. Hamburg. Argument, texte kritische Psychologie, Bd 5.

Hitler-Weber

Die »großen Hitlerbiographien« (Bullock, Fest, Kershaw, ­Ullrich) versagen bei der Frage nach der Konstitution des Subjekts Hitler. Kein Wunder, denn die bürger­liche Psychologie hat für biographisches Arbeiten und Forschen kein sinnvolles begriffliches Repertoire anzubieten. Wie ist er geworden, was er war? – Die Frage­stellung zielt darauf, Hitler nicht von Auschwitz her zu denken, sondern als Person, die ohne die gesellschaftlichen Verhältnisse »seiner Zeit« nicht gedacht werden kann. Klaus Weber prüft subjektwissenschaftliche Kategorien der Kritischen Psychologie daraufhin, ob sie Hitlers Leben und seine Person auf den Begriff bringen können.Leitidee ist dabei Wolfgang Fritz Haugs Motto: »Hitler verändert das Feld, in das er eingreift; das veränderte Feld verändert ihn«

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