Forum Kritische Psychologie 53

Praxisforschungs-Kontroverse
„Intensivtäter“ – eine empirische Studie
Theorie: Lernen, Emanzipation, Subjektivierung der Arbeit
Analysen und Stellungnahmen: Studierfähigkeit, Gesundheitspolitik, Eigenverantwortung, Reparaturarbeiten

Inhalt

Editorial

Michael Zander
Zum Tode Detlev Klingenbergs (1934-2008)

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Morus Markard
Konzepte und Probleme kritisch-psychologischer Praxisforschung. Versuch einer Antwort auf Ute Osterkamps Kritik des „Ausbildungsprojekts Subjektwissenschaftliche Berufspraxis“

Lorenz Huck
Jugendliche „Intensivtäter/innen“ – Argumente gegen die Personalisierung mehrfacher strafrechtlicher Auffälligkeit

Joseph Kuhn
Wenn sich Therapie nicht lohnt: Gesundheit als ökonomisches Optimierungsproblem?

Vanessa Lux
Die passenden Studierenden für ein verschultes Studium?

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Manolis Dafermos und Athanasios Marvakis
Vermitteltes Erkennen der Welt. Lernen nach Sergei L. Rubinstein

Jost Vogelsang
Neue Subjektivierung der Arbeit? Neue Formen der Arbeitsorganisation in subjektwissenschaftlicher Perspektive

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Christian Küpper
‚Psychologie reicht ans Grauen nicht heran’ – Adorno zu Individuum und Gesellschaft (Werkstattpapier)

Einwürfe

Frigga Haug
Woher kommen all diese Reparaturarbeiten? Eine Theorie der Sozialarbeit braucht eine Sozialtheorie von Gesellschaft

Morus Markard
Eigenverantwortung und Privatisierung

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Autorinnen und Autoren

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Eigenverantwortung und Privatisierung

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 53 (2009).

Download: FKP_53_Morus_Markard_2

Zusammenfassung

Während „Privatisierung“ einen realen gesellschaftlichen Prozess bezeichnet, ist „Eigenverantwortung“ eine rhetorische Figur, deren ideologische und psychologisierende Funktion im Zuge der Privatisierung an Beispielen (Sozialgesetzbuch, Berliner Schulgesetz, Hartz-IV, Hochschule) untersucht wird. Es wird gezeigt, dass der Appell zur Eigenverantwortung Selbstbestimmung in umfassender Fremdbestimmung impliziert, Verantwortung von Handlungsfähigkeit trennt, die Fiktion des autonomen Individuums bedient und eine aktuelle Variante der Zumutung bedeutet, objektive Beschränkung in subjektive Beschränktheit umzudeuten.

Summary: Personal Responsibility and Privatization

While „privatisation“ refers to a real societal process, „personal responsibility“ denotes a figure of rhetoric. Drawing on a number of examples (from the code of social law, the Berlin school legislation, Hartz IV, universities), this rhetoric is analysed with regard to its ideological and psychologizing function in the context of privatisation. It is shown that the appeal to personal responsibility (a) suggests the possibility of self-determination under circumstances of general external control, (b) isolates responsibility from the individual’s capacity to act, (c) serves the fiction of an autonomous individual, and (d) expresses a current variant of misrepresenting objective limitations as subjective limitedness.

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Woher kommen all diese Reparaturarbeiten? Eine Theorie der Sozialarbeit braucht eine Sozialtheorie von Gesellschaft

Artikel von Frigga Haug in Forum Kritische Psychologie 53 (2009).

Download: FKP_53_Frigga_Haug

Zusammenfassung

Frigga Haug positioniert die neuen Aufgaben von Sozialarbeit in den Kontext der Umbrüche im neoliberalen High-tech-Kapitalismus. Dafür stellt sie einen Roman über Arbeitslosigkeit vor und skizziert die allgemeine Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften, um eine grundlegende Verkehrung aufzuzeigen: nämlich die Herrschaft der Produktion der Lebensmittel und ihre profitbringende Organisation über die Produktion des Lebens selbst. Sie zeigt, dass diese Entwicklung den Sektor der sozialen Arbeit ungeheuer anschwellen lässt ebenso wie das Elend der Vielen. Dies macht es nötig, eine Utopie zu entwerfen – die Vier-in-einem-Perspektive – welche die allgemeine Arbeitsteilung, das politische Engagement, das Zeitregime, das die Entwicklung der einzelnen behindert, zu ändern. Dies wird auch die Sozialarbeit anders ausrichten.

Summary: Where do all these repairworks come from? A Theory of Social Work needs a Social Theory of Society

Frigga Haug positions the new tasks of social labour within the ruptures of neoliberal hightech-capitalism. For this she rereads a novel on unemployment, and summarizes the general development of capitalist societies to show a fundamental reversal: the domination of the production of the means of life and their organisation for pofit`s sake over the production of life itself. She shows that the development ends in an enormous increase of social work, and a growing misery of many. This leads to the consequence to draw a utopy – the Four-in-one-perspective – which is formulated to change the division of labour, the engagement in politics, the spending of time the development of each – this is meant to also determine social work.

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‚Psychologie reicht ans Grauen nicht heran’ – Adorno zu Individuum und Gesellschaft (Werkstattpapier)

Artikel von Christian Küpper in Forum Kritische Psychologie 53 (2009).

Download: FKP_53_Christian_Küpper

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird versucht, zu rekonstruieren, wie Adorno die Möglichkeiten der Emanzipation der Menschheit begreift. Dafür ist es notwendig, Adornos Analyse des Mensch-Welt-Zusammenhanges im Kapitalismus darzustellen. Daneben werden auch einige Gedanken Adornos zum Verhältnis zwischen Natur und Gesellschaft, zum Verhältnis zwischen Psychologie und Rationalität sowie zur Psychoanalyse und zum Behaviorismus erörtert. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wird abschließend diskutiert, ob nach Adorno die Möglichkeiten der Emanzipation lediglich in der individuellen Erkenntnis bewahrt werden.

Summary: ‘Psychology does not reach into horror’ – Adorno about the individual and society

In this article the author tries to reconstruct how Adorno comprehends the possibilities of the emancipation of humankind. Therefore, it is necessary to summarize Adorno’s analysis of the human-world-relation in capitalistic societies. Furthermore, the author explores some thoughts by Adorno on the relation between nature and society, the relation between psychology and rationality as well as on psychoanalysis and behaviourism. Against this background of considerations it is finally discussed, whether – according to Adorno – the only way of preserving the possibilities of emancipation can be found in the individual’s epistemology.

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Neue Subjektivierung der Arbeit? Neue Formen der Arbeitsorganisation in subjektwissenschaftlicher Perspektive

Artikel von Jost Vogelsang in Forum Kritische Psychologie 53 (2009).

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Zusammenfassung

Der Artikel setzt sich mit der Diskussion in den Arbeitswissenschaften über die Bedeutung neuer Arbeitsformen und Managementstrategien für die Arbeitenden auseinander. Theoretische Konzepte wie praktische Erfahrungen in der Betriebsratsarbeit werden dabei mit der Kritisch-psychologischen Kategorialanalyse und dem Projekt Automation und Qualifikation in Verbindung gebracht. Der Artikel stellt die Frage, inwieweit die verschiedenen Ansätze befruchtend aufeinander wirken könnten.

Summary: New subjectivation of labour? Novel forms of working organization from a subject-scientific point of view

This article deals with recent debates within ergonomics and business studies on new forms of labour and management strategies and what they mean to workers. Theoretical concepts as well as practical experiences of work councils are connected with Critical Psychology’s analyses on a categorial level and the research project „Automation and Qualification“. The article raises the question whether the different approaches may stimulate each other.

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Jugendliche Intensivtäter/innen

Kriminelle Karrieren und Präventionsmöglichkeiten aus Sicht der betroffenen Subjekte

Huck, Lorenz

Jugendliche Intensivtäter/innen „Seit mehr als 30 Jahren wird in Deutschland eine kleine Gruppe registrierter Straftäter/innen als »Intensivtäter« gesondert bezeichnet und behandelt. Die Etikettierung rechtfertigt es, gegen die Betroffenen mit der vollen Härte des Gesetzes vorzugehen: dabei wird z. T. geltendes Recht gebeugt, in jedem Falle werden die Betroffenen nachhaltig stigmatisiert.
In Berlin erfasst die Klassifizierung meist junge Männer mit Migrationshintergrund, die aus dem Bildungssystem herausgefallen sind, kaum berufliche Perspektiven haben und ohne größere Planung oder Organisation Eigentums und Gewaltdelikte begehen. Mittlerweile ist der Begriff »Intensivtäter« in die Alltagssprache eingegangen und wird als Reizwort in der Boulevardpresse verwendet, um Ängste der Bevölkerung aufzugreifen und weiter zu schüren.
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Forum Kritische Psychologie 52

Praxisforschung – Kritik
Technikpsychologie – Psychologiegeschichte

Inhalt

Editorial

Rainer Brockmann
Zum Tode von Siegfried Schubenz (1933 – 2007)

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Ute Osterkamp
Soziale Selbstverständigung als subjektwissenschaftliches Erkenntnisinteresse

Nora Räthzel, Diana Mulinari, Aina Tollefsen, Irene Molina, Paula Mählck
Unvollendete Transformationen: Widerstreitende Zugehörigkeiten, aufbrechende Geschlechterverhältnisse, Stadt-Land-Beziehungen. Arbeitsalltag in einem europäischen transnationalen Unternehmen in Mexiko

Stefan Busse
Supervision – über die Verhältnisse reflektieren und in ihnen handeln

Thomas Rihm & Judith Mai
Störung oder Hinweis? Wenn Lernwiderstände zur Chance für die eigene Professionalisierung werden

Ernst Schraube
Kein Mittel ist nur Mittel. Subjektwissenschaft und die Ambivalenz der Technik

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Peter Keiler
Das Verhältnis A.N. Leont’evs zu Ludwig Noiré. Wissenschaftshistorische und politische Hintergründe der Entstehung der Tätigkeitstheorie

Jürgen Hilbers
Phänomenologie und Psychologie – das Problem der Vermittlung

Erich Wulff
Klaus Holzkamp: Wissenschaft als Handlung. Versuch einer neuen Grundlegung der Wissenschaftslehre. Schriften III (Rezension)

Vivien Laumann
Frauen in der rechtsextremen Szene (Werkstattpapier)

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Autorinnen und Autoren

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Frauen in der rechtsextremen Szene (Werkstattpapier)

Artikel von Vivien Laumann in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

Download: FKP_52_Vivien_Laumann

Zusammenfassung

Seit Anfang der 1990er Jahre wird auch der Rechtsextremismus geschlechtsspezifisch untersucht. Die Aktualität dieser Fragestellung zeigt die Gründung des ‚Rings Nationaler Frauen’ , der Frauenorganisation der NPD im Jahr 2006. Bei der Untersuchung des ‚weiblichen Rechtsextremismus’ sind sowohl der Organisierungsgrad von Frauen innerhalb der rechtsextremen Szene, als auch die Themen, mit denen sie sich beschäftigen, und damit im Zusammenhang die diskursiv entfalteten Frauenbilder von Interesse. Der Text widmet sich darüber hinaus drei Forschungsansätzen, die den Motiven von Frauen, in der rechtsextremen Szene zu partizipieren, nachgehen, und beschäftigt sich mit der Frage, ob sich in der zunehmenden Organisation und der Forderung nach politischer Mitbestimmung rechtsextremer Frauen innerhalb der Szene ein emanzipatives Element erkennen lässt, oder ob dieser Wandel lediglich politisch-strategische Funktionen erfüllt.

Summary: Women in the extreme right-wing scene – Degree of organisation – Image of women – State of research

Since the early 1990s, gender-specific research has been carried out into right-wing extremism. The relevance of this issue has recently been underlined by the founding of the „Ring Nationaler Frauen’, the NPD women’s organisation, in 2006. This research into ‚female right-wing extremism’ focuses on both the degree of organisation of women within the extreme right wing and the issues they are concerned with and, hence, also considers the context of the discursive images of women that are revealed. In addition, the paper examines three research approaches that investigate the reasons why women participate in the extreme right-wing scene, and addresses the question of whether an emancipatory element is evident in the increasing organisation and demand of extreme right-wing women for political co-determination, or whether this change merely satisfies strategic political functions.

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Phänomenologie und Psychologie – das Problem der Vermittlung

Artikel von Jürgen Hilbers in Forum Kritische Psychologie 52 (2008).

Download: FKP_52_Jürgen_Hilbers

Zusammenfassung

Der Text, usprünglich vor einem philosophisch interessierten Publikum gehalten, macht deutlich, dass Klaus Holzkamp schon immer als phänomenologisch arbeitender Psychologe verstanden werden kann und sich dessen zunehmend auch bewusst wurde. Die Phänomenologie ist durchgängig zentraler Subtext seines Lebenswerks. Mehr noch: das von der Kritischen Psychologie für ihren Ansatz als authentisch neuartig reklamierte subjektwissenschaftliche Konzept ist seiner Grundstruktur nach phänomenologisch, wobei von Seiten Holzkamps – mehr als bisher erkannt – Beiträge zur Entwicklung eines phänomenologischen Paradigmas geleistet worden sind. Selbst wenn man also alles Marxistische an Holzkamp seiner Geltung nach einklammern würde, es bliebe ein phänomenologisches Residuum von einer formalen Prägnanz, die so weder bei Husserl noch bei Merleau-Ponty zu finden ist. Nicht zuletzt ist damit das Interesse gegeben, einen von Holzkamp de facto im Felde phänomenologischer Philosophie geleisteten strategischen Beitrag freizulegen. Zentral ist dabei der Gedanke, dass es möglich ist, durch die Arbeiten Holzkamps hindurch eine phänomenologisch auszulegende Relationsstruktur aufzuweisen, die nicht erst empirische, sondern bereits formale Geltung und Evidenz beanspruchen kann.

Summary :Phenomeology and psychology – the problem of their mediation

This text, originally read to a philosophically interested academic audience, explaines that Klaus Holzkamp can actually be seen as an always phenomenologically informed psychologist and that he has become growingly aware of this orientation. Phenomenology forms a constant central subtext of his lifework. Moreover, the subject-scientific concept that Critical Psychology claims to be novel and authentic to its own approach is essentially phenomenological – with Holzkamp having contributed to the development of a phenomenological paradigm more than has hitherto been recognized. Even if the validity of all Marxist characteristics in Holzkamp’s work were put into brackets, there would remain a phenomenological residual of an unparalleled formal precision and clarity that cannot be found with Husserl or Merleau-Ponty. Not least this explains the interest to reveal the strategic contribution that Holzkamp has made de facto in the field of phenomenological philosophy. The focus is on the idea that it is possible to expose throughout Holzkamp’s oeuvre a phenomenologically interpretable relational structure that can lay claim not only to empirical but already to formal validity and evidence.

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