Forum Kritische Psychologie 34

Problemblindheit in der Psychologie und Perspektiven ihrer Überwindung

Inhalt

Editorial

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Jochen Brandtstädter, Lutz H. Eckensberger, Volker Gadenne, Klaus Holzkamp, Wilhelm Kempf, Wolfgang Maiers & Morus Markard
Zur Problematik des Empiriebezugs psychologischer Theorien

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Klaus Holzkamp
Am Problem vorbei. Zusammenhangsblindheit in der Variablenpsychologie

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Charles W. Tolman
Die Beharrlichkeit des Kartesianismus im psychologischen Hauptstrom und Anzeichen seiner Überwindung

Rainer Seidel
Maschinenperspektive und Subjektstandpunkt

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Werkstattpapiere

Morus Markard
Wie reinterpretiert man Konzepte und Theorien?

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Autorinnen und Autoren

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Wie reinterpretiert man Konzepte und Theorien?

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 34 (1994).

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Zusammenfassung

Ausgangspunkt des Beitrages sind Probleme des Umgangs mit »anderen« Theorien aus dem Blickwinkel subjektwissenschaftlicher Theorie und Praxis, wie sie sich vor allem in einem universitären Ausbildungsprojekt mit Praktikumsbetreuung im Hauptstudium stellten. Das Konzept der Reinterpretation, die operationale Fassung des kritisch-psychologischen Forschungsprinzip der Einheit von Kritik und Weiterentwicklung, wird daher von Anwendungsproblemen her, vermittels verschiedener Reinterpretationsbeispiele aus theorie- und aus praxisbezogenen Zusammenhängen und unter Einschluß von Arbeitshinweisen dargestellt.

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Maschinenperspektive und Subjektstandpunkt

Artikel von Rainer Seidel in Forum Kritische Psychologie 34 (1994).

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Zusammenfassung

Es werden zwei Thesen diskutiert. Erstens: Kognitivismus wird vielfach gesehen als Überwindung des Behaviorismus mit dem Ziel, mentale Prozesse untersuchbar zu machen. Das Neue und die Besonderheit des Kognitivismus ist aber primär die Sichtweise des Menschen unter dem Blickwinkel der Berechenbarkeit, wie sie u.a. in der Turingmaschine theoretisch formuliert und im Computer praktizierbar ist. Die methodische Prämisse des Behaviorismus ist durch die »Kognitive Wende« nicht verändert worden, und Kognition war schon innerhalb des traditionellen Behaviorismus untersuchbar, wie es vor allem Tolman initiiert hatte. Zweitens: Die Simulation des Mentalen als Algorithmus oder als Maschinenprogramm bedeutet eine radikale Reduktion des Mentalen oder Subjektiven auf Kausalzusammenhänge. Dagegen erfordert die dem Menschen als Subjekt adäquate Forschung, das Handeln nicht als verursachtes, sondern in erster Linie als subjektiv begründetes aufzufassen. Gleichwohl kann die kognitivistische Forschung eine fruchtbare heuristische Funktion haben: Die (Computer-) Simulation menschlichen Verhaltens kann die Ebene von Begründungszusammenhängen mit der reduktiven Ebene rein kausaler Zusammenhänge konkret nachvollziehbar konstrastieren und dadurch — auch ex negativo — Fähigkeiten und Handeln des Menschen zunehmend erhellen.

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Die Beharrlichkeit des Kartesianismus im psychologischen Hauptstrom und Anzeichen seiner Überwindung

Artikel von Charles W. Tolman in Forum Kritische Psychologie 34 (1994).

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Zusammenfassung

Es wird die These aufgestellt, daß die Stagnation im psychologischem Hauptstrom von der Zählebigkeit des Kartesianismus herrühre. Dies gelte sowohl für die kognitive Psychologie als auch für den Behaviourismus. Erscheinungen des Dualismus und des Individualismus werden erörtert. Die Verborgenheit des Kartesianismus wird herausgestrichen. Die antikartesische Psychologie, deren vorbildliches Beispiel die Kritische Psychologie ist, wird u.a. dadurch gekennzeichnet, daß in ihrer Konzeption die psychologischen Prozesse sich statt »hinter den Augen« in der zwischenmenschlichen Welt abspielen. Mehrere Beispiele aus der neueren englischsprachigen Psychologie werden gegeben.

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Am Problem vorbei. Zusammenhangsblindheit in der Variablenpsychologie

Artikel von Klaus Holzkamp in Forum Kritische Psychologie 34 (1994).

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Zusammenfassung

Es geht in dem Text um die Problematik des Bedeutungs- und Relevanzverlustes von psychologischen Theorien, die auf ihre statistische Prüfbarkeit im Sinne der gängigen »Variablenpsychologie« hin formuliert sind. Der zentrale Grund dafür liegt darin, daß — da die Zufallsvariablität der Daten als Bezugsrahmen für die statistische Prüfung die Zerlegung des Forschungsgegenstands in isolierbare und frei gegeneinander variierbare Elemente voraussetzt — im Gegenstand liegende Zusammenhänge/Widersprüche eliminiert werden müssen und Zusammenhangsaussagen nur als sekundäre Konstruktionen des Forschers möglich bzw. zugelassen sind. Dies wird am Beispiel pädagogisch-psychologischer Untersuchungen zum »Klassen«- bzw. »Unterrichtsklima« veranschaulicht. Alternative methodische Ansätze aus der Ethnomethodologie und kritisch-psychologischen Subjektwissenschaft werden dargelegt.

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Zur Problematik des Empiriebezugs psychologischer Theorien

Artikel von Jochen Brandtstädter, Lutz H. Eckensberger, Volker Gadenne, Klaus Holzkamp, Wilhelm Kempf, Wolfgang Maiers und Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 34 (1994).

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Zusammenfassung

Die Grundlage für die Diskussionsgruppe bilden zwei Arbeiten von Brandtstädter (1982 und 1984) über apriorische Elemente in psychologischen Forschungsprogrammen sowie Holzkamps Artikel (1986) über die Verkennung von implikativen Begründungszusammenhängen als empirischen Zusammenhangsannahmen in sozialpsychologischen Theorien. In diesen Beiträgen wurde auf jeweils unterschiedliche Art gezeigt, daß vermeintliche experimentelle Prüfungen von psychologischen Theorien dann zu einer Pseudo-Empirie geraten, wenn die jeweiligen Theorien nicht, wie vorausgesetzt, Annahmen über kontingente Realzusammenhänge, sondern implikative Strukturen darstellen, die als logisch wahr einer empirischen Prüfung weder fähig noch bedürftig sind. In der Diskussionsgruppe wird der Versuch unternommen, von teilweise unterschiedlichen Grundansätzen aus zu einer Verständigung über diese Problematik zu kommen und ggfs. die Problemstellung präziser zu fassen. Erörtert werden Aspekte wie die Differenz theoretischer »Begründungsmuster« zu anderen Arten implikativer Zusammenhänge; das Verhältnis von empirischen und analytischen Aussagen in der Psychologie einschließlich der daraus erwachsenden Probleme des Datenbezugs; der »Rationalitäts«-Begriff des Begründungsdiskurses; die Unterscheidung »guter« versus »effektiver Gründe«, allgemeiner: das Problem der Kausalität in intentionalen Handlungen und, in diesem Zusammenhang, die Kompatibilität von theoretischen Beschreibungen, etc.

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Forum Kritische Psychologie 33

Sexueller Mißbrauch — Widersprüche eines öffentlichen Skandals

Inhalt

Editorial

Exposition des Mißbrauchs-Problems aus feministischen Positionen

Frigga Haug
Zur Einführung: Versuch einer Rekonstruktion der gesellschaftstheoretischen Dimensionen der Mißbrauchsdebatte

Birgit Rommelspacher
Der sexuelle Mißbrauch als Realität und Metapher

Dorothy E. Smith
Familienlohn und Männergewalt

Sexueller Mißbrauch: Überforderung psychosozialer Praxis?

Anna Veltins
Helfen oder Beweisen? Widersprüche im Umgang mit sexueller Gewalt gegen Kinder

Steffen Osterkamp
Sexueller Mißbrauch als Problem der Sozialarbeit: Die Geschichte der Petra H.

Sexueller Mißbrauch, Macht und Wahrheit: Ansätze zu einer kritischen Diskursanalyse

Linda Alcoff & Laura Gray
Der Diskurs von „Überlebenden“ sexueller Gewalt: Überschreitung oder Vereinnahmung?

Klaus Holzkamp
Zur Debatte über sexuellen Mißbrauch: Diskurse und Fakten

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Autorinnen und Autoren

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Zur Debatte über sexuellen Mißbrauch: Diskurse und Fakten

Artikel von Klaus Holzkamp in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

Download: FKP_33_Klaus_Holzkamp

Zusammenfassung

Im gängigen Mißbrauchs-Diskurs wird der »Opfer«-Status der sexuell mißhandelten Frauen befestigt und der »Mißbrauch« zum individuellen »Delikt« erklärt, womit alle »nichtdelinquenten« Männer unbetroffen bleiben und sexuelle Männergewalt ihrer gesellschaftlichen Dimension beraubt ist. Damit erweist sich die Rede von »Mißbrauch« als im herrschenden patriarchalen Diskurs verhaftet. Es wird gezeigt, daß sowohl das Operieren mit Daten über Mißbrauchshäufigkeiten wie die Fixierung von »Mißbrauch« als juristischen »Tatbestand« — auch, wenn von feministischer Seite stammend — im herrschenden Diskurs befangen bleiben und (wie am Konzept des »Survivor«-Diskurses von Linda Alcoff und Laura Gray demonstriert) nur das Verständnis von sexueller Männergewalt als weiblicher Erfahrung potentiell eine Befreiungsperspektive eröffnet.

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Der Diskurs von „Überlebenden“ sexueller Gewalt: Überschreitung oder Vereinnahmung?

Artikel von Linda Alcoff und Laura Gray in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

Download: FKP_33_Linda_Alcoff_Laura_Gray

Zusammenfassung

Linda Alcoff und Laura Gray schreiben vom Standpunkt von »Incest Survivors«. Kritisch gegenüber der Medienpolitik in den USA versuchen sie quer dazu eine subversive Strategie gegen männliche Gewalt zu entwickeln. Ihre Analyse ist daher zentriert um den zwieschlächtigen Charakter des öffentlichen Bekenntnisses; in ihm sehen sie Herrschaft und Befreiung gleichzeitig am Werk; ihre Suche gilt möglicher Politik von Frauen. Diese befreiende Wende, die Frage der Öffentlichkeit selbst so zu stellen, daß diese erst selbstbestimmt für Frauen organisiert werden muß, ist von großer Bedeutung auch für unsere Debatte in Deutschland.

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Sexueller Mißbrauch als Problem der Sozialarbeit: Die Geschichte der Petra H.

Artikel von Steffen Osterkamp in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Sexueller Mißbrauch ist eine Lebenssituation, die nicht nur für die betroffenen Mädchen vielfältige Leiden, Widersprüche und Konflikte mit sich bringt, sondern in die auch die damit befaßten ErzieherInnen/SozialarbeiterInnen im Spannungsfeld zwischen Engagiertheit und Professionalität verstrickt sind. Dabei wird einerseits die Offenlegung, das »speaking out«, des Mißbrauchs als wesentliche Voraussetzung wirksamer Hilfe betrachtet, wobei aber andererseits den durch die ambivalenten Reaktionen einer einschlägig sensibilisierten und verunsicherten Öffentlichkeit für die Mädchen entstehenden neuen Belastungen und Bedrohungen kaum effektiv begegnet werden kann. Am Rückzug der Petra H. soll deutlich werden, daß sexueller Mißbrauch eine Problematik gesellschaftlicher Größenordnung ist, die durch die üblichen sozialarbeiterischen und psychologischen Denk- und Verfahrensweisen nicht wirklich bewältigt werden kann.

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