Selbsterfahrung, Selbstreflexion und Selbstbeobachtung als Aspekte des subjektiven Weltzugangs in der Kritischen Psychologie

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 41 (1999).

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Zusammenfassung

Selbsterfahrung, Selbstreflexion und Selbstbeobachtung sind in subjektwissenschaftlichem Forschungskontext als Momente subjektiver und intersubjektiver Selbstverständigung systematisch nicht zu trennen. Die historisch-faktische Koppelung der Entwicklung des Interesses an praktischem Weltbezug (statt am Aufbau des Bewusstseins) mit der methodischen Annullierung von Erfahrung ist nicht zwingend. Die Bedeutung, die in quantitativer Datenergebung Selbsterfahrung hat, steht im Widerspruch zu deren Missachtung. Unter Bezug auf kritisch-psychologische Bestimmungsmomente von Erfahrung wird dazu argumentiert, dass Erfahrung/Selbsterfahrung weder deren nomothetischen Verächtern noch ihren therapeutischen Mystifikatoren überlassen werden darf, sondern kategorial, theoretisch und methodisch rehabilitiert werden muss.

Summary: The critical-psychological understanding of self-experience, self-reflection and self-observation as constituent parts of subjective access to the world

Within the context of subject-science research, self-experience, self-reflection and self-observation are systematically linked as elements of subjective and intersubjective communication and understanding. The author argues that the historical development whereby self-experience was contrasted with research into the practical consequences of behavior is not inevitable and points out that despite self-experience being systematically ignored in theory, in quantitative research it is nevertheless used by precisely those who deny its relevance. Drawing on Critical Psychologys definition of experience, it is argued that experience and/or self-experience must neither be left to those nomothetical critics nor to its therapeutic mystifiers, but need to be re-evaluated in relation to terms, theory and method.

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Forum Kritische Psychologie 41

Selbsterfahrung
Praxiserfahrung
Abschiebepraxis

Inhalt

Editorial

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Morus Markard
Selbsterfahrung, Selbstreflexion und Selbstbeobachtung als Aspekte des subjektiven Weltzugangs in der Kritischen Psychologie

Wiebke Würflinger
„Heute kommt es nicht darauf an, was man tut, sondern wie man sich dabei fühlt“ Selbsterfahrungskonflikte in der Ausbildung zur Telefonberatung

Elke van Ahrens
Sentio ergo sum? Funktionen von Selbsterfahrungskonzepten am Beispiel einer selbst-erfahrenen Körpertherapieausbildung

Jochen Kalpein
„Selbsterfahrung“ in der Therapieausbildung: Fluchtpunkt Unmittelbarkeit?

Gerlinde Aumann
Funktionen biographischer Deutungen von Konfliktsituationen in der psychosozialen Praxis

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Thilo Busse
Mathematik ist eine süße Frucht

Kathrin Schöffel
Widerständiges Lernen im Schriftspracherwerb. Darstellung und Reflexion einer problematischen Förderung vor dem Hintergrund des subjektwissenschaftlichen Lernkonzeptes

Petra Wagner
„Verdeckte Verhältnisse“. Überlegungen zur Seminarpraxis in der Universität

Anja Brunkhorst
Lehren lernen in der Universität

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Sabine von Lühe
Begegnung mit deutscher Geschichte in der Gegenwart. Protokoll einer Abschiebung

Astrid Albrecht-Heide
Unterhalb der Wahrnehmungsebene. Oder: Der Verlust des Mitgefühls

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Autorinnen und Autoren

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Forum Kritische Psychologie 40

Gefühle/Emotionen
Gramsci: Perspektiven für Psychologie und soziale Arbeit

Inhalt

Editorial

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Ute Osterkamp
Zum Problem der Gesellschaftlichkeit und Rationalität der Gefühle / Emotionen

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Morus Markard
Gramsci und psychologische Praxis oder: Psychologische Praxis als Austragungsort ideologischer Konflikte

Johann W. Brandner
Sozialarbeit und Philosophie der Praxis

Uwe Hirschfeld
Soziale Arbeit in hegemonietheoretischer Sicht. Gramscis Beitrag zur politischen Bildung Sozialer Arbeit

Cornelia Möhring & Victor Rego Diaz
Die Relevanz Gramscis für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Isolde Ludwig
Vom Alltagsverstand zum neuen Kollektivwillen. Eine gramscianische Perspektive auf gewerkschaftliche Bildungsarbeit

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Klaus Holzkamp
Gutachten zur Habilitationsschrift von Jens Brockmeier „Literales Bewußtsein. Schriftlichkeit und das Verhältnis von Sprache und Kultur“

Jens Brockmeier
„Expansives Lernen“ als Lebensmetapher. In memoriam Klaus Holzkamp

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Autorinnen und Autoren

 

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„Expansives Lernen“ als Lebensmetapher. In memoriam Klaus Holzkamp

Artikel von Jens Brockmeier in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

Download: FKP_40_Jens_Brockmeier

Zusammenfassung

Der Beitrag befaßt sich mit dem „intellektuellen Stil“ Klaus Holzkamps, so wie er in seinen wissenschaftlichen Arbeiten, aber auch in seinem individuellen Lebensstil zum Ausdruck kommt. Vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen, die sich insbesondere auf Holzkamps letztes Lebensjahr beziehen, werden einige seiner Arbeiten genauer betrachtet: so ein Gutachten – der letzte wissenschaftliche Text, den er vor seinem Tod schrieb – und eine autobiographische Schilderung aus seinem „Lernen“-Buch. Diese Schilderung handelt von seiner Auseinandersetzung mit der Musik Schönbergs. Holzkamp hat diesen musikalischen Lernprozeß als ein paradigmatisches Beispiel „expansiven Lernens“ beschrieben: als Beispiel einer sowohl intellektuellen wie biographischen Haltung, die er mit einem sinnvollen, selbstbestimmten Leben verband und an der er auch seine eigene „Lebensführung“ auszurichten suchte.

Summary: „Expansive learning“ as a metaphor for life. In memoriam Klaus Holzkamp

This paper is concerned with the intellectual style of Klaus Holzkamp as it is reflected in his academic research as well as in his individual way of life. Drawing on personal experiences with Holzkamp, some of his works are examined, such as the last text, a report he wrote before he died, and an autobiographical extract from his book on learning. This extract deals with his attempt to understand the music of Schönberg. Holzkamp described this process of learning music as a paradigmatic example of what he called „expansive learning“. He considered this to be an example of an intellectual and biographical attitude linked to a meaningful and self-determined life, which seemed to be not least a model of his own conduct of life („Lebensführung“).

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Die Relevanz Gramscis für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Artikel von Cornelia Möhring und Victor Rego Diaz in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

Download: FKP_40_Claudia_Möhring_Victor_Rego_Diaz

Zusammenfassung

Der Anspruch gewerkschaftlicher Bildungsarbeit, die Erweiterung „individueller Handlungsfähigkeit“ in Gesellschaft, gerät immer wieder in Widerspruch zur dominanten Anleitung des einschränkenden Tagesgeschäfts, die Spielregeln auf dem Arbeitsmarkt und so die Reste tarifvertraglich regulierter Arbeit zu sichern. Die Autoren schlagen vor, Antonio Gramscis Überlegungen zur “ Philosophie der Praxis“ für eine kohärente Erneuerung gewerkschaftspolitischer Standpunkte zu nutzen. Da Gramsci davon ausgeht, daß jeder sich verantwortlich zeigt, sich Gesellschaft anzueignen und diese zu gestalten, benennt er die Blockaden, Widersprüche und Beschränkungen der je eigenen Weltauffassung als Ausgangspunkt des Sich-Koheränt-Arbeitens, um die höchste Ordnungsstufe des Denkens, das „wissenschaftliche Denken“ zu erreichen und um an der Entwicklung eines sozialen, ethischen Projektes aktiv teilzuhaben.

Summary: Gramscis relevancy for trade-unionist educational work

The claim of trade-unionist educational work to help to expand „individual action potence“ in society is at variance with the guiding principles of daily union business to secure the rules on the labour market and thus the vestige of negotiated work. The authors suggest Antonio Gramcis „Philosophy of Practice“ as a vantage point for a coherent renewal of union politics. Gramci assumes that everybody takes responsibility for appropriating and shaping society. He points out the blockades, contradictions, and restrictions in the everyday world-views from which individuals should proceed in their work for personal coherence in order to reach the highest level of cognition, „scientific thinking“, and to be able to participate actively in developing a societal, ethical project.

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Vom Alltagsverstand zum neuen Kollektivwillen. Eine gramscianische Perspektive auf gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Artikel von Isolde Ludwig in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

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Zusammenfassung

Die Debatte um Ziele, Inhalte und Methoden gewerkschaftlicher Bildungsarbeit, die in den letzten Jahren entbrannte, bildet den Ausgangspunkt des Aufsatzes. Nach einer kurzen Darstellung der relevanten Positionen in diesem Gewerkschaftsdiskurs setzt sich die Autorin mit den Bildungsentwürfen, die von den unterschiedlichen Akteurlnnen favorisiert werden, auseinander. Klassentheoretische Konzeptionen wie das Negtsche „exemplarische Lernen“ und der „Deutungsmusteransatz“ werden dabei ebenso diskutiert wie die pluralistischen Vorstellungen des „selbstorganisierten Lernens“ und der feministische „Differenzansatz“. In ihrer Kritik und bei der Weiterentwicklung eines macht- und herrschaftskritischen Bildungsbegriffes stützt sich die Autorin auf Theoreme Gramscis.

Summary: From common sense to a new collective will. A Gramscian perspective on trade-unionist educational work

After a brief presentation of relevant positions in the discourse of recent years on the objectives, contents, and methods of trade-unionist educational work, the author deals in more detail with the particular conceptualisations of education that are advocated. This analysis ranges from class theoretical conceptions such as Negts „exemplary learning“ and the „patterns of interpretation“ approach [„Deutungsmusteransatz“] to pluralistic notions of „self-organised learning and the feminist focus on „difference“. Both her critique and the authors own elaboration of a concept of education that is critical of power and dominance are based on pertinent theorems of Gramsci.

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Soziale Arbeit in hegemonietheoretischer Sicht. Gramscis Beitrag zur politischen Bildung Sozialer Arbeit

Artikel von Uwe Hirschfeld in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

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Zusammenfassung

Ausgehend von aktuellen Diskussionen um den politischen Wert Sozialer Arbeit wird der Zusammenhang von „Politik“ und „Sozialer Arbeit“ untersucht. Der hegemonietheoretische Ansatz Antonio Gramscis ist dabei in besonderer Weise geeignet, Formen der Herrschaft differenziert zu analysieren, ohne dabei einzelne Aspekte zu substantiieren. Auf dem Hintergrund der sich verändernden gesellschaftlichen Funktion Sozialer Arbeit (von der Herstellung, Normalisierung und Anpassung der Arbeitskraft zu einer Moderation unterschiedlicher sozialer Kulturen – auch der ständigen Ausgliederung aus der Erwerbsarbeit), wird die Frage nach den Möglichkeiten politischer Bildung gestellt. In der Gestalt der Sozialarbeiterlnnen / -pädagoglnnen als „fraktionierter Intellektueller“ werden die Grenzen und Chancen einer demokratischen Praxis Sozialer Arbeit angesprochen.

Summary: Social work in a hegemony-theoretical perspective. Gramscis contribution to the political education of social work

Starting with current debates on the political significance of social work, the relationship between „politics“ and „social work“ is investigated. In this connection, Antonio Gramscis hegemony-theoretical approach presents itself as particularly suitable for a penetrating analysis of forms of dominance that does not reify isolated aspects. Possibilities for policital education are viewed against the background of the changing societal functions of social work. Referring to social workers as „fractionated intellectuals“, limits and prospects of a democratic practice of social work are considered.

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Sozialarbeit und Philosophie der Praxis

Artikel von Johann W. Brandner in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

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Zusammenfassung

Gramscis Analysen des „Alltagsverstands“ werden genutzt, um die vorherrschende Form von Sozialarbeit zu untersuchen, die sich gegenüber den grundlegenden sozialen Widersprüche eher konformistisch und konfliktscheu verhält. Der Versuch, Sozialarbeit neu zu bestimmen, bezieht sich auf zwei Schwerpunkte von Gramscis Denken: 1. auf dessen Konzeption, an der „Kohärenz des Alltagsverstands“ zu arbeiten, und dabei insbesondere am „gesunden Kern des Alltagsverstands“, am „gesunden Menschenverstand“ der „Subalternen“ anzuknüpfen; 2. auf „Katharsis“, die von Gramsci analysiert wird als Entwicklung neuartiger Initiative der „Subalternen“, als „Übergang vom bloß ökonomischen (oder leidenschaftlich egoistischen) Moment zum ethisch-politischen Moment“.

Summary: Social work and philosophy of praxis

Gramscis analyses of „common sense“ are used for an investigation of the prevailing form of social work that is conformist with respect to the basic societal conflicts. The attempt at redefining social work refers to two focal points in Gramscis conception: 1. to his notion of elaborating the „coherence of everyday thinking“, of taking the „common sense“ of the „subaltern“ as a starting-point; 2. to Gramscis analysis of „catharsis“ as a development of novel impetus of „subaltern“ people, as „transition from the merely economic (or passionately egoistic) impulse to the ethical-political impulse“

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Gramsci und psychologische Praxis oder: Psychologische Praxis als Austragungsort ideologischer Konflikte

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 40 (1999).

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Zusammenfassung

Ganz im Unterschied zur bürgerlichen zielt Kritische Psychologie, mit Gramsci gesprochen, „nicht darauf, die in der Geschichte und in der Gesellschaft bestehenden Widersprüche friedlich zu lösen, sondern ist im Gegenteil die Theorie dieser Widersprüche selbst“ – soweit diese Widersprüche psychologisch zu fassen sind. Praxiserfahrung und Praxisforschung haben deswegen politische Implikationen, die im kritisch-psychologischen Konzept des „gesellschaftlich- subjektiven Zusammenhangs- und Widerspruchswissens“ bislang zu kurz gekommen sind. Es wird an Beispielen gezeigt, warum emanzipatorisches Lernen aus der Praxis sowohl politische und psychologie-kritische Voraussetzungen als auch die persönliche, ggf. konfliktgeladene Bereitschaft dazu erfordert, und daß es „linker“ Diskussionszusammenhänge bedarf, in denen psychologische Praxis als Moment politisch-kultureller Veränderung zwischen emanzipatorisch- wissenschaftlichem Anspruch und der Notwendigkeit materieller individueller Reproduktion diskutiert werden kann.

Summary: Gramsci and psychological practice. Psychological practice as arena for ideological conflicts

As opposed to bourgeois psychology, Critical Psychology does not, to use Gramscis words, „aim at a peaceful solution of conflicts that pervade history and society, but rather is the very theory of such conflicts“ – as long as they can be comprehended in psychological terms at all. Experience of and research into practice therefore have political implications that have not yet been exhausted by the critical-psychological concept of the „societal-subjective knowledge of context and contradiction“ (in professional psychological practice) It is illustrated why emancipatory learning from practice requires political and psychology critical pre-conditions as well as a personal and, if necessary, conflict-bearing willingness. A „leftist“ discourse is needed in which psychological practice, that is characterised by the tension between emancipatory-scientific claims and the necessities of securing ones individual subsistence, can be discussed as an element of political-cultural change.

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