Von Holzkamp zu Vygotskij und immer wieder zurück

Artikel von Josef Held in Forum Kritische Psychologie 50 (2006).

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Zusammenfassung

Die Kritische Psychologie hat sich in konkreten institutionellen und sozialen Verhältnissen entwickelt und sie war und ist gleichzeitig an Personen gebunden, die in Gruppen die Entwicklung in unterschiedlicher Weise vorangetrieben haben. Am Beispiel der Tübinger Forschungsgruppe wird gezeigt, wie sich in einem kooperativen Forschungsprozess theoretische, methodische und praktische Entwicklungen vollzogen haben. Die Tübinger Jugendforschungsgruppe begann ihre Arbeit in den 1980er Jahren auf der Basis der Kritischen Psychologie. Der Schwerpunkt lag auf der empirischen Arbeit in eigenen nationalen und internationalen Projekten. Den praktischen Bezugspunkt bildeten vor allem die Gewerkschaften. Das Tübinger Beispiel zeigt, dass die praktischen Fragen auch zu Veränderungen in theoretischen Grundlagenfragen führen. Die Einbeziehung von Vygotskij in die Kritische Psychologie hat das Soziale und das Kulturelle gegenüber dem individuellen Subjekt aufgewertet.

Summary: From Holzkamp to Vygotskij and back

The development of Critical Psychology took place within specific institutional and social contexts and, at the same time, was linked to those people who promoted its development in a variety of ways. This paper takes the example of the Tübingen research team to illustrate theoretical, methodological and practical development within a cooperative research process. In the 1980s, the Tübingen youth research group was formed and took critical psychology as the basis for its work, focusing especially on empirical research within the framework of national and international projects and taking the trade unions, especially, as a practical point of reference. The work conduct by the Tübingen group illustrates how practical questions also lead to changes in underlying theoretical principles. Integrating the work of Vygotskij into Critical Psychology gives greater weighting to the value of social and cultural aspects in relation to the individual subject.

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Zum Standort von Kritik in der kritischen Psychologie heute

Artikel von Morten Nissen in Forum Kritische Psychologie 50 (2006).

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Zusammenfassung

Der Aufsatz stellt Kritische Psychologie in den allgemeinen Kontext kritischer Psychologie heute. Er nimmt an, einer Psychologie und Ideologiekritik die positive Dimension „fundierender“ Theorie hinzuzufügen, sei lebensnotwendig, wenn die heutige akademische Theorie nicht bloß vergeblich – da bloß negativ – zwischen Fragmentierung und willkürlicher Positivität hin- und herschwanken soll. Er behauptet, dass eine „instrumentelle“ Version kritischer Psychologie, die Elemente herkömmliche Psychologie aus taktischen Gründen aufnimmt, von dieser abhängig bleibt und unfähig, die eigene Subjektposition zu reflektieren. Kritischer Psychologie komme es zu, die marxsche Ontologie gesellschaftlicher Praxis (eher als seinen Utopismus) in Richtung auf einen Begriff von Subjektivität zu entwickeln, die in gesellschaftlicher Praxis konstituiert wird, aber mit den Kriterien von Handlungsfähigkeit und produktiven Bedürfnissen auf Seiten des Individuums. Nissen nimmt an, dass ein solcher Ansatz wesentliche Probleme heutiger kritischer Psychologie löst. Schließlich wird angerissen, wie auch Kritische Psychologie in dieser Begegnung wachsen kann, indem sie eine Theorie kollektiver Subjektivität entwickelt, die uns einschließt.

Summary: The Role of Criticism in Critical Psychology Today

The article attempts to contextualize Kritische Psychologie in today’s critical psychologies. It is argued that adding to a psychology and ideology critique the positive dimension of „foundational“ theory is characteristic, and vital, if contemporary academic ideology is fruitlessly – since merely „negatively“ – reflective and oscillates between fragmentation and arbitrary positivity. It is claimed that an „instrumental“ version of critical psychology which takes up elements from psychology for tactical purposes will remain dependent on psychology and unable to reflect on its own subject position. Kritische Psychologie is then rendered as developing the marxist ontology of social practice (rather than its utopianism) toward a concept of a subjectivity constituted in social practice but with the criteria of action potency and productive needs on the part of the individual. It is suggested that this approach solves important problems in contemporary critical psychology. Finally, it is briefly described how Kritische Psychologie, too, might grow from the encounter, by developing a theory of collective subjectivity to include – us.

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Klaus Holzkamp und die Kritische Psychologie

Artikel von Dimitris Papadopoulos in Forum Kritische Psychologie 50 (2006).

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Zusammenfassung

1964, 1968, 1973, 1983, 1993, 1995, 2006: Dieser Text untersucht das Verhältnis der Holzkampschen Theorie zu der Herausbildung der Kritischen Psychologie.

Summary: Holzkamp and Critical Psychology

1964, 1968, 1973, 1983, 1993, 1995, 2006: This essay examines the relation between Klaus Holzkamp’s theory and the emergence of critical psychology.

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Lernverhältnisse im Neoliberalismus. Teil II: Überlegungen zu einer Kritischen Psychologie des Lernens

Artikel von Christina Kaindl in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

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Zusammenfassung

Der Beitrag analysiert die veränderten gesellschaftlichen und institutionellen Denk- und Praxisformen in Bezug auf Bildung und Lernen und fragt nach den darin funktionalen Lernbegründungen. Die hochtechnologische Produktions- und Lebensweise arrangiert auch die Lernverhältnisse um das neoliberale Paradigma von Selbstverantwortung und Aktivierung und legt den Subjekten neue Formen defensiver Lernbegründungen nahe: Anders als im Fordismus geht es nicht so sehr um die Übernahme fremd gesetzter (Lern)Ziele, als um ihre – selbstständige – Gerierung entsprechend gesellschaftlicher, v.a. wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Im Beitrag wird auch diskutiert, inwiefern diese Entwicklungen Holzkamps Arbeiten zu Lernen als veraltet erscheinen lassen und wie deren Geltungsbereich bestimmt werden kann.

Christina Kaindl: Learning Relations in Neo-liberalism. Part II: Reflections on a Critical Psychology of Learning

The author analyses the changed societal and institutional forms of thinking and practice relating to education and learning and tries to reveal the inherent subjective grounds for learning. With the high-technological mode of production and living, learning relations, too, are centred around the neo-liberal paradigm of self-responsibility and activation, suggesting new forms of defensive grounds for learning to the individuals. While Fordism stressed the plain adoption of externally defined goals (of learning), the focus in neo-liberalism is on their intrinsic – „autonomous“ – generation according to societal, i.e. economic, possibilities and necessities of exploitation. The author discusses whether these developments make Holzkamp’s works on learning appear out-dated and how their validity is to be (re-) defined.

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Forum Kritische Psychologie 50

Erfahrung – Interesse – Utopie / Subjektivität: natürliche Grundlagen – gesellschaftliche Strukturen – soziale Beziehungen / Kritische Psychologie in Entwicklung und Vernetzung

Inhalt

Editorial

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Dimitris Papadopoulos
Klaus Holzkamp und die Kritische Psychologie

Morten Nissen
Zum Standort von Kritik in der kritischen Psychologie heute

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Josef Held
Von Holzkamp zu Vygotskij und immer wieder zurück

Athanasios Marvakis
Vom Nutzen der Philosophie Ernst Blochs für eine emanzipatorische Psychologie

Peter Faulstich und Anke Grotlüschen
Erfahrung und Interesse beim Lernen – Konfrontationen der Konzepte von Klaus Holzkamp und John Dewey

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Ole Dreier
Wider die Strukturabstraktion

Kristine Baldauf-Bergmann
Impulse für eine strukturvermittelte Entwicklung von Lernkontexten

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Thomas Rihm
Über die Sternstunden hinaus: Lehren mitten im Widerspruch

Kurt Bader und Birte Ludewig
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Zu einigen Problemen subjektwissenschaftlicher Forschung

Lorenz Huck
Irrungen der Abstraktion – ein Beispiel aus der Praxis des „Forschungsprojekts Lebensführung“

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Volker Schurig
Psychophylogenese und Umweltpsychologie als naturwissenschaftlicher Themenbereich der Kritischen Psychologie

Eckart Leiser
Über einige strukturierende Faktoren der abendländischen Kultur in
der Geschichte der Psychologie

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Bibliographie Kritische Psychologie (12)

Autorinnen und Autoren

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Forum Kritische Psychologie 49

Geschlechterverhältnisse
Sprache und Rhetorik
Solidarität / Rassismus
Schule im Neoliberalismus

Inhalt

Editorial

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Catharina Schmalstieg
„Der Große Graben“ – Ideologietheorie, Geschlechterverhältnisse und Psychologie

Isolde Albrecht
Das versteckte Geschlecht. Zur geschlechtskonturierenden Wirkung gebräuchlicher Arbeitsbegriffe

Wolfgang Maiers
Präsentative Symbolik in der menschlichen Stammesgeschichte. Vorbemerkung zu Ekkehard Jürgens

Ekkehard Jürgens
Symbolursprung. Neues vom Anfang der Bilder

Christina Kaindl
Lernverhältnisse im Neoliberalismus. Teil II: Überlegungen zu einer Kritischen Psychologie des Lernens

Morus Markard
„Wenn jede(r) an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Zum Problem der Verallgemeinerbarkeit von individuellen Interessen / Handlungen zwischen kollektiver Identität und Universalismus

Birgit Carstensen, Karen Haubenreisser, Frigga Haug
Willkommen in der Freizeit – Ausgrenzung in der Arbeit. Werkstattbericht über Konstruktionen von Fremdheit und Integration

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Autorinnen und Autoren

 

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

Willkommen in der Freizeit – Ausgrenzung in der Arbeit. Werkstattbericht über Konstruktionen von Fremdheit und Integration

Artikel von Birtgit Carstensen, Karen Haubenreisser und Frigga Haug in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

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Zusammenfassung

In einer Tagesveranstaltung mit Werkstattcharakter wählt die Gruppe eine der mitgebrachten Erinnerungsszenen aus und bearbeitet sie exemplarisch. Geschrieben zum Thema „Als ich einmal eineN FremdeN nicht mochte“, dient die Szene der Untersuchung der Konstruktion von Fremdheit. Durch die Analyse der Szene mit Hilfe von Erinnerungsarbeit wird eine Konstruktion zweier Sphären sichtbar: In der Sphäre der Kultur (Kleidung, Freizeit) herrscht wohlmeindende Neugier auf „die Fremde“, dieser im Kontrast gegenüber steht die Sphäre der produktiven Arbeit. Hier wird die Fremde als unverbesserliche und unzugängliche, unfähige Person konstruiert, die dadurch zur Gefahr für den Erfolg der Arbeit wird. Der Werkstattbericht mündet in die Aufforderung, der Funktionalität und Verbreitung dieser Konstruktion weiter auf die Spur zu kommen.

Summary: Welcome at leisure-time – excluded at work. Constructions of strangeness and integration

In a day workshop the group members first choose one from the various recollection scenes each of them have contributed and then treat this sample in detail. Dealing with „As I once disliked a stranger“, the scene serves to analyse the construction of strangeness. Through the method of „memory work“, a construction of two spheres is revealed: In the sphere of culture (clothing, leisure time) a well-meaning curiosity about „the stranger“ is prevailing – in sharp contrast with the sphere of productive labour where the strange individual is construed as an incorrigible, inaccessible, and incompetent person, who puts the work efficiency at risk. The workshop report leads to the request to track down further the functionality and dissemination of this construct.

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„Wenn jede(r) an sich denkt, ist an alle gedacht.“ Zum Problem der Verallgemeinerbarkeit von individuellen Interessen / Handlungen zwischen kollektiver Identität und Universalismus

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

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Zusammenfassung

Ist die (kritisch-psychologische) Rede von verallgemeinerter Handlungsfähigkeit, von emanzipatorischem Allgemeininteresse heute eine bloße Phrase? Ausgehend von den kategorischen Imperativen von Kant, Marx und Adorno werden Probleme von Identitätspolitiken, von (kollektiver) Identität und kollektivem Subjekt und des Verhältnisses von Egoismus und Altruismus diskutiert. Wenn Interesse als der funktionale oder Inhaltsbezug von individuellen Handlungsbegründungen begriffen wird, geht es darum, diese auf partikularistische bzw. universalistische Momente zu analysieren. Diese vom Begriffspaar restriktive – verallgemeinerte Handlungsfähigkeit im je eigenen Interesse kategorial veranlasste Fragestellung setzt gesellschaftspolitische Informiertheit voraus und ist im Ergebnis jeweils offen.

Summary: „If everyone takes care of themselves, we are all taken care of.“ On the problem of how to generalise individual interests and actions between collective identity and universalism

Has the (critical-psychological) talk of generalised potence to act, of emancipatory general interest turned into a mere phrase today? Proceeding from the categorical imperatives of Kant, Marx, and Adorno, the author discusses problems of identity politics, of (collective) identity and the collective subject, and of the relation between egoism and altruism. If individual grounds for actions, understood in terms of their functionality and contents, refer to interests, it is a question of analysing them as to their particularistic vs. universalistic aspects. This analysis, which is conceptually informed by the dialectically conceived bipolar category of restrictive vs. generalised action potence and pursued in each case for one’s own sake, requires good knowledge of societal and political matters and is open with regard to its outcome.

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Symbolursprung. Neues vom Anfang der Bilder

Artikel von Ekkehard Jürgens in Forum Kritische Psychologie 49 (2006).

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Zusammenfassung

Im letzten Jahrzehnt wurden tradierte Stammbaum-Muster der menschlichen Evolution durch eine Vielzahl archäologischer Überraschungen in Frage gestellt. In einer kurzen Bestandsaufnahme referiert der Autor zunächst den allgemeinen Erkenntnisstand der Paläontologie bis zu den 1990er Jahre. Vor diesem Hintergrundschema heben sich die Besonderheiten der neuen Befunde um so deutlicher ab. Demnach sind kulturelle Äußerungen nicht erst dem Homo sapiens, sondern weit früher schon dem Homo erectus zuzuschreiben. Während sich dieses frühmenschliche Symbolschaffen auf Werkzeuggestaltung und Knochengravur beschränkt, hat Homo sapiens in Europa von Anfang an Kunstwerke aller Art (Malerei, Skulptur, Musik) und von höchster Perfektion („Meisterwerke“) hinterlassen. Die neuen Fakten und Daten werfen neue Fragen auf, v.a. zum Verhältnis von Umweltänderung und kulturellem Response. Als Kommunikations- und Kulturwissenschaftler skizziert der Autor schließlich ein eigenes Erklärungsmodell zur Entstehung der Kunst.

Summary: On the Origin of Symbolizing. News from the Emergence of Pictures

In the last decade a number of surprising archeological discoveries have been made that cast doubt on the received view on human phylogenesis. The author starts with a brief summary of the state of the art in paleoontology up to the 1990s which is then contrasted with the latest findings. Expressions of culture are now no longer regarded as unique attributes of Homo sapiens but already ascribed to Homo erectus. While this symbolic production of early humans is limited to tool design and bone engravings, Homo sapiens in Europe has left behind works of art of all kinds (painting, sculpture, music) and of perfect beauty („masterpieces“). The recent facts and data raise new questions, especially concerning the relationship between environmental changes and cultural response. Coming from the communication and cultural sciences, the author concludes with an outline of his own explanatory approach to the origin of art.

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