Das festgehaltene Kind

Therapie und Gewalt

Artikel von Insa Breyer in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-10

Zusammenfassung

In dem Beitrag erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Körperbezogenen Interaktionstherapie (KIT) nach Fritz Jansen und Uta Streit, die den sogenannten Festhaltetherapien zuzurechnen ist. Untersucht wird die Anwendung bei Kindern, die KIT wird dabei vergleichend zur Festhaltetherapie nach Jirina Prekop analysiert sowie auf ihre Begründungszusammenhänge und Anziehungskraft hin analysiert. Die Autorin verdeutlicht die Gewaltförmigkeit der Therapie und stellt unterschiedliche Kritikebenen dar. Da es bislang an Sekundärliteratur zur KIT mangelt, stellt der Artikel eine Einführung dar, die zugleich ein Forschungsdesiderat verdeutlicht. Neben ethischen Fragen von (mangelnder) Kontrolle therapeutischer Verfahren bei Kindern wird deutlich, dass die bislang formulierte Kritik an Festhaltetherapien, die eher auf spirituell-esoterische Verfah-
ren zielte, in vieler Hinsicht auch auf die betont nüchtern auftretende und verhaltenstherapeutisch begründete KIT angewendet werden kann.

Abstract

The article critically examines a form of therapy called KIT, invented by Fritz Jansen and Uta Streit, which is part of the so-called attachment therapies. Breyer focuses on the use of KIT in children. She analyses KIT in comparison to attachment therapy following Jirina Prekop as well as its justification and attraction. The author clarifies the violent nature of the therapy and presents different levels of criticism. Since there is a lack of secondary literature on KIT so far, the article is an introduction and at the same highlights a research desideratum. In addition to ethical questions of (lack of ) control of therapeutic procedures in children, it becomes clear that the criticism of attachment therapies formulated so far, which was aimed more at spiritual-esoteric procedures, can – in many ways – also be applied to the behavioral therapy-based KIT.

 

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Klaus Holzkamp – Entwurf für den Wikipedia-Artikel auf Spanisch

Artikel von Santiago Vollmer veröffentlicht in Forum Kritische Psychologie – Neue Folge 5 / Online-Supplement, Sept. 2022 [Neue, korrigierte Fassung: 8. Okt. 2022]

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-17
Spanischsprachiger Wikipedia-Artikel: https://es.wikipedia.org/wiki/Klaus_Holzkamp


Santiago Vollmer

Vorbemerkung: Der vorliegende Entwurf ist als Grundlage für einen spanischsprachigen Wikipedia-Artikel zu Klaus Holzkamp gedacht. Er wurde in Diskussion mit dem kritisch-psychologischen Arbeitskreis in Berlin redigiert. U.a. haben Morus Markard und Ute Osterkamp Materialien zum wissenschaftlichen Werdegang Holzkamps zur Verfügung gestellt, die in den vorliegenden Text eingeflossen sind. Gezielt unterscheidet er sich vom entsprechenden deutschsprachigen Wikipedia-Artikel und behandelt Holzkamps Biographie stärker im Zusammenhang der Entwicklung der Kritischen Psychologie. Lesen fortsetzen

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Geflüchtete Kinder unter Pathologisierungsdruck

Eine Falldarstellung

Artikel von Boris Friele in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-9

Zusammenfassung

Anhand eines Fallbeispiels aus der psychosozialen Praxis des Autors veranschaulicht der Beitrag, wie aus dem Zusammenspiel von psychiatrischen Kategorien, interessegeleiteten Situationsdeutungen, restriktiven Handlungsstrategien und situativen Umständen heraus pathologisierende Deutungen psychischer Belastungen bei Kindern wirkmächtig werden können. Die ambivalenten Eigenarten der im Fallbeispiel als mögliche Pathologisierungen in Rede stehenden Diagnosekategorien »Posttraumatische Belastungsstörung« und »Zwangsstörung« werden in subjektwissenschaftlicher Perspektive erörtert. Die Darstellung betont die kontingenten Beziehungen von theoretischen und klinischen Konzepten, um die Handlungsspielräume für die Vermeidung von Pathologisierungen in der sozialpädagogischen und psychologischen Praxis herauszustellen.

Abstract

Using a case study from the author’s psychosocial practice, the article illustrates how pathologizing interpretations of children’s mental distress can emerge from the interplay of psychiatric categories, interest-driven situational interpretations, restrictive action strategies, and situational circumstances. The ambivalent characteristics of the diagnostic categories »Post-Traumatic Stress Disorder« and »Obsessive-Compulsive Disorder« discussed as possible pathologizations in the case study are examined from a subject-scientific perspective. The presentation emphasizes the contingent relationships between theoretical and clinical concepts to highlight the scope for avoiding pathologization in social pedagogical and psychological practice.

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Zu Vulnerabilität und Agency von alleingeflüchteten und alleinmigrierten Minderjährigen

Artikel von Sevasti Trubeta in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-8

Zusammenfassung

Der Beitrag befasst sich mit dem Spannungsverhältnis von kindlicher Vulnerabilität und Agency im Hinblick auf alleingeflüchtete und -migrierte Kinder und rückt das Vulnerabilitätsverständnis humanitärer Repräsentationspolitiken ins Zentrum. Es werden insbesondere folgende Fragen bearbeitet: Welche konkrete Gestalt nimmt dieses Spannungsverhältnis im Rahmen humanitärer Schutzpolitiken im Falle von alleingeflüchteten und -migrierten Minderjährigen an? Wie wirken gesellschaftliche Gegebenheiten, speziell Migrationspolitiken und humanitäre Kinderschutzpolitiken, auf das Handeln und die Chancen dieser Kinder, um unter den gegebenen Sachlagen ihre Interessen zu vertreten? Fazit ist, dass die kritischen Debatten um das Verhältnis von Vulnerabilität und Agency bislang unzureichende analytische Instrumente anbieten, um vulnerable Lagen und Akteurschaft von alleingeflüchteten und -migrierten Kindern zu erkunden. Es wird dafür plädiert, die Prekarisierungseffekte aktueller Migrationspolitiken stärker zu berücksichtigen.

Abstract

This article addresses the tensions between child vulnerability and agency with regard to children who are single refugees and migrants, and focuses on humanitarian representation policies’ understanding of vulnerability. In particular, the following questions will be addressed: What concrete form does this tensions take in the context of humanitarian protection policies in the case of single refugee and migrant minors? How do societal conditions, specifically migration policies and humanitarian child protection policies, affect the actions and opportunities of these children to represent their interests under the given circumstances? The conclusion is that critical debates around the relationship between vulnerability and agency have so far offered insufficient analytical tools to explore vulnerable situations and agency of single refugee and migrant children. A case is made for paying more attention to the precarization effects of current migration policies.

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Kein wahres Selbst im falschen

Eine kritisch-psychologische Reinterpretation des »falschen Selbst« nach Winnicott

Artikel von Amal Sarhan in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-7

Zusammenfassung

Das psychoanalytische Konzept des »falschen Selbst« nach Winnicott (1960/2002a) verweist auf Tendenzen der Anpassung und Gefügigkeit, die ab dem Säuglingsalter bestehen können und mit einem Mangel an Spontaneität einhergehen. Zwar betont Winnicott die Bedeutung eines empathischen Beziehungsaufbaus zwischen Eltern und Kind, doch durch seinen primären Fokus auf die Verantwortung von Müttern vernachlässigt er gesellschaftliche Bedingungen und deren Relevanz für subjektive Prozesse. Unter Rückgriff auf die kritisch-psychologischen Kategorien der (kindlichen) Handlungsfähigkeit und der subjektiven Funktionalität werden im vorliegenden Aufsatz alternative Möglichkeiten der Interpretation von Anpassungstendenzen erarbeitet. Die Analyse von historisch überlieferten Sichtweisen auf Mütter in Psychoanalyse und Gesellschaft offenbart, dass der Geltungsbereich von Winnicotts Konzept auf Verhältnisse einzugrenzen ist, in denen traditionell-bürgerliche Norm- und Wertvorstellungen vorherrschen. Die Untersuchung zeigt, dass die Förderung von kindlicher Spontaneität nicht allein über nahestehende Bezugspersonen gelingen kann, sondern ebenfalls gesellschaftspolitische Veränderungen erfordert.

Abstract

Winnicott’s (1960/2002a) psychoanalytic concept of the false self refers to tendencies of conformity and compliance that potentially exist from early infancy onward and are associated with a lack of spontaneity. While Winnicott does point to the importance of empathic involvement with the child, the primary focus on maternal responsibility ignores societal conditions and their relevance for subjective processes. With recourse to the critical-psychological categories of (child) agency and subjective functionality, alternative interpretations of adaptation tendencies are elaborated. The analysis of historically transmitted views of mothers in psychoanalysis and society reveals that the scope of application of Winnicott’s concept is to be limited to conditions in which traditional-bourgeois notions of norms and values prevail. The study shows that the promotion of infantile spontaneity cannot be achieved solely through close caregivers, but it also needs socio-political changes.

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Zum Kapitel 5.5 aus Ute H.-Osterkamps Motivation II

Artikel von Santiago Vollmer und Thomas Pappritz in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-6

Zusammenfassung

In zwei Bänden 1975 und 1976 publiziert, gehören Ute Osterkamps Studien Grundlagen zur Motivationsforschung zu den grundlegenden Arbeiten der entstehenden Kritischen Psychologie. Kinder, das Thema des vorliegenden Heftes, gab Anlass, speziell Kap. 5.5 aus Bd. 2 zu lesen, wo Osterkamp die »kindliche Vergesellschaftung als Verarbeitungs- und als Abwehrprozess« analysiert. Aus der ursprünglichen Idee einer Rezension wurde – nach erstaunt freudiger bis begeisterter Wiederlektüre – eine Einladung, dieses Kapitel und überhaupt diese beiden Bände (wieder) zu lesen. Leserinnen und Leser können darin u.a. beobachten, wie der wichtigste Begriff der Kritische Psychologie, Handlungsfähigkeit, entsteht und zum ersten Mal zum Einsatz kommt. Kind-Sein und kindliche Entwicklung werden nicht abstrakt postuliert, sondern in der gesellschaftlichen Welt als Entwicklung von Handlungsfähigkeit begriffen. In dieser Änderung bzw. Erweiterung des Blickwinkels auf das ›Kind‹ sind bereits analytische Differenzierungen erkennbar, die erst später (v.a. in Klaus Holzkamps Grundlegung der Psychologie) begrifflich ausgearbeitet werden. Kategorien der Kritischen Psychologie, die wir anhand späterer Werke kennengelernt haben, werden hier quasi in ihrer Entstehung nachvollziehbar.

Abstract

Published in two volumes in 1975 and 1976, Ute Osterkamp’s studies Grundlagen zur Motivationsforschung are among the foundational works of the emerging Critical Psychology. Children, the topic of the present issue, gave reason to read especially ch. 5.5 from vol. 2, where Osterkamp analyzes »childlike socialization as a processing and as a defense process.« The original idea of a review became – after astonished joyful to enthusiastic re-reading – an invitation to (re-)read this chapter and these two volumes in general. Readers can observe in it, among other things, how the most important concept of critical psychology, agency (Handlungsfähigkeit), emerges and comes into use for the first time. Being a child and child development are not postulated abstractly, but are understood in the social world as the development of agency. In this change or broadening of the perspective on the ›child‹, analytical differentiations are already recognizable, which will only be conceptually elaborated later (especially in Klaus Holzkamp’s Grundlegung der Psychologie). Categories of critical psychology, which we have become acquainted with on the basis of later works, become traceable here, so to speak, in their emergence.

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Anthropogenese und Kindheit

Grundfragen einer subjektwissenschaftlichen Forschung

Artikel von Ines Langemeyer in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-5

Zusammenfassung

Das soziale Lernen, wie Kinder ›ihre Köpfe zusammenstecken‹ und ihre Perspektiven verschränken, ist Gegenstand von Tomasellos Forschung. Seine Theorie will mit Einsichten in diesen Gegenstand erklären, wie neue Fähigkeiten und Entwicklungsstufen entstehen. Sein Verständnis von ontogenetischen Prozessen (d.h. der Individualentwicklung) wirft dazu tiefergehende Fragen auf. Verkürzt werden sie meist durch Annahmen, dass diese Qualitäten von vorneherein im Mensch-Sein angelegt seien oder dass ihre Realisierung sich fast voraussetzungslos schlicht ereignet. Zu klären ist, welche Bedeutung soziale Motive, Empathiefähigkeit, Gesten, Sprache, Verhaltenskoordination und Selbstregulation für die Entwicklung haben und wie sich ihre spezifischen Funktionsweisen bei Menschen genau verstehen lassen. Der Beitrag geht dazu auf die grundlegenden Forschungen Vygotskijs und auf eine Debatte zwischen Habermas und Tomasello ein.

Abstract

Social learning, how children ›put their heads together‹ and intertwine their perspectives, is the subject of Tomasello’s research. His theory seeks to use this insight to explain how new abilities and developmental stages emerge. His understanding of ontogenetic processes (i.e., individual development) raises deeper questions about this. They are usually shortened by assumptions that these qualities are inherent in being human from the beginning or that their realization simply occurs almost without preconditions. What needs to be clarified is the significance of social motives, empathy, gestures, language, behavioral coordination, and self-regulation for development and how their specific functioning in humans can be understood precisely. To this end, the paper reviews Vygotsky’s basic research and a debate between Habermas and Tomasello.

 

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Zur menschlichen Individualentwicklung als individueller Vergesellschaftung

Teil A der »Stellungnahme zum Problemkatalog zur AG A4: Die Konstituierung der Subjektivität in der Ontogenese« beim II. Internationaler Kongress Kritische Psychologie (1979)

Artikel von Klaus Holzkamp in Forum Kritische Psychologie Neue Folge 5 (2023).

Verfügbar über: https://doi.org/10.58123/aliceopen-695-4

Zusammenfassung

Die hier in Teilen veröffentlichte, nicht zur Publikation gedachte Stellungnahme diente Klaus Holzkamp zur Vorbereitung für eine Arbeitsgruppe beim II. Internationalen Kongress Kritische Psychologie (1979) mit dem Titel: Die Konstituierung der Subjektivität in der Ontogenese. Diskutiert werden Fragen zur menschlichen Individualentwicklung, die als individuelle Vergesellschaftung verstanden wird.

Abstract

The statement published here in parts, not intended for publication, served Klaus Holzkamp at the II International Congress of Critical Psychology (1979) as preparation for a working group with the title: The Constitution of Subjectivity in Ontogenesis. Questions about human individual development, which is understood as individual socialization, are discussed.

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