Zur Debatte über sexuellen Mißbrauch: Diskurse und Fakten

Artikel von Klaus Holzkamp in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Im gängigen Mißbrauchs-Diskurs wird der »Opfer«-Status der sexuell mißhandelten Frauen befestigt und der »Mißbrauch« zum individuellen »Delikt« erklärt, womit alle »nichtdelinquenten« Männer unbetroffen bleiben und sexuelle Männergewalt ihrer gesellschaftlichen Dimension beraubt ist. Damit erweist sich die Rede von »Mißbrauch« als im herrschenden patriarchalen Diskurs verhaftet. Es wird gezeigt, daß sowohl das Operieren mit Daten über Mißbrauchshäufigkeiten wie die Fixierung von »Mißbrauch« als juristischen »Tatbestand« — auch, wenn von feministischer Seite stammend — im herrschenden Diskurs befangen bleiben und (wie am Konzept des »Survivor«-Diskurses von Linda Alcoff und Laura Gray demonstriert) nur das Verständnis von sexueller Männergewalt als weiblicher Erfahrung potentiell eine Befreiungsperspektive eröffnet.

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Der Diskurs von „Überlebenden“ sexueller Gewalt: Überschreitung oder Vereinnahmung?

Artikel von Linda Alcoff und Laura Gray in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Linda Alcoff und Laura Gray schreiben vom Standpunkt von »Incest Survivors«. Kritisch gegenüber der Medienpolitik in den USA versuchen sie quer dazu eine subversive Strategie gegen männliche Gewalt zu entwickeln. Ihre Analyse ist daher zentriert um den zwieschlächtigen Charakter des öffentlichen Bekenntnisses; in ihm sehen sie Herrschaft und Befreiung gleichzeitig am Werk; ihre Suche gilt möglicher Politik von Frauen. Diese befreiende Wende, die Frage der Öffentlichkeit selbst so zu stellen, daß diese erst selbstbestimmt für Frauen organisiert werden muß, ist von großer Bedeutung auch für unsere Debatte in Deutschland.

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Sexueller Mißbrauch als Problem der Sozialarbeit: Die Geschichte der Petra H.

Artikel von Steffen Osterkamp in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Sexueller Mißbrauch ist eine Lebenssituation, die nicht nur für die betroffenen Mädchen vielfältige Leiden, Widersprüche und Konflikte mit sich bringt, sondern in die auch die damit befaßten ErzieherInnen/SozialarbeiterInnen im Spannungsfeld zwischen Engagiertheit und Professionalität verstrickt sind. Dabei wird einerseits die Offenlegung, das »speaking out«, des Mißbrauchs als wesentliche Voraussetzung wirksamer Hilfe betrachtet, wobei aber andererseits den durch die ambivalenten Reaktionen einer einschlägig sensibilisierten und verunsicherten Öffentlichkeit für die Mädchen entstehenden neuen Belastungen und Bedrohungen kaum effektiv begegnet werden kann. Am Rückzug der Petra H. soll deutlich werden, daß sexueller Mißbrauch eine Problematik gesellschaftlicher Größenordnung ist, die durch die üblichen sozialarbeiterischen und psychologischen Denk- und Verfahrensweisen nicht wirklich bewältigt werden kann.

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Helfen oder Beweisen? Widersprüche im Umgang mit sexueller Gewalt gegen Kinder

Artikel von Anna Veltins in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Der Artikel versucht, zwischen den Fronten der Opferschutz-Verfechter einerseits und der »Mißbrauch mit dem Mißbrauch«-Kampagnenführer andererseits Aufschlüsse über die Problematik und Widersprüchlichkeit der Praxis von Kinderschutzarbeit zu geben. Anna Veltins diskutiert zunächst die Funktion von Sexualität in unserer Gesellschaft, dann den Begriff sexuelle Gewalt und wählt schließlich einen Zugang über ihre eigene Biographie, um Opfer und Täter in sexuellen Gewaltverhältnissen zu begreifen. An einem Fallbeispiel macht sie die Schwierigkeiten der Verdachtsabklärung mit einem Kind deutlich.

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Familienlohn und Männergewalt

Artikel von Dorothy E. Smith in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Dorothy Smith rückt die Mißbrauchsfrage als eine Frage sexueller Gewalt gegen Abhängige in den gesellschaftlichen Kontext. Sie zeigt, daß die Form der Familie und die sie stützenden Rechtsvorstellungen und Lohnformen bis hin in gewerkschaftliche Strategien jenes patriarchal-possessive Verhalten reproduzieren, das es erlaubt, Frauen und Kinder als Dinge, als Besitz, als Nutzobjekte zu behandeln, gegen die notfalls Gewalt erlaubt ist.

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Der sexuelle Mißbrauch als Realität und Metapher

Artikel von Birgit Rommelspacher in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Der sexuelle Mißbrauch ist eine Extremform patriarchalischer Realität im Sinne einer Funktionalisierung sozial, physisch und psychisch Schwächerer für die sexuellen Bedürfnisse von Männern. Obgleich diese Extremform in ihrer Verbreitung nahezu die Normalität darstellt, so birgt dennoch eine Ineinssetzung des Extremen mit der Normalität die Gefahr, ideologische Konstruktionen zu stützen, die auf der einen Seite den Männern Gewalt und Macht zuordnen und auf der anderen den Frauen Ohnmacht und Tugendhaftigkeit. Damit wird die in solchen Konstruktionen intendierte Kritik am herrschenden Geschlechterverhältnis affirmativ. Beim sexuellen Mißbrauch muß die — wenngleich relative — Macht von Frauen und die Wirksamkeit auch anderer Machtdimensionen, wie die der Eltern gegenüber ihren Kindern, gesehen werden.

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Zur Einführung: Versuch einer Rekonstruktion der gesellschaftstheoretischen Dimensionen der Mißbrauchsdebatte

Artikel von Frigga Haug in Forum Kritische Psychologie 33 (1994).

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Zusammenfassung

Frigga Haugs Untersuchungsfeld sind die Medienkampagnen um »sexuellen Mißbrauch«, die darin implizierten Befreiungsvorstellungen und die interessierten Vorurteile der beteiligten Akteure. Sie berichtet von Erfahrungen mit ähnlichen Kampagnen in Nordamerika und skizziert die widersprüchliche Konstellation, in der die Mißbrauchsproblematik erforscht werden müßte.

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Forum Kritische Psychologie 32

Praxisforschung und Psychologiekritik
Musiklernen
Asyldebatte

Inhalt

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Renke Fahl und Morus Markard
Das Projekt »Analyse psychologischer Praxis« oder: Der Versuch der Verbindung von Praxisforschung und Psychologiekritik

Ute Osterkamp / Projekt Rassismus und Diskriminierung
Das Boot ist voll! Typische Selbstrechtfertigungs- und Abwehrfiguren in der Asyldebatte

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Klaus Holzkamp
Musikalische Lebenspraxis und schulisches Musiklernen

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Karin Just
Lernen in der Zukunftswerkstatt. Beitrag zur Emanzipation oder Einübung bürgerlicher Praxisformen?

Anita Lenz und Stefan Meretz
Zur Problematik der Psychologisierung informatischer Grundkonzepte. Am Beispiel »Konnektionismus«

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Theo Gehm
Fifteen Years After. Die kurze Geschichte von der Gründung einer Psychosozialen Beratungsstelle inspiriert durch kritisch-psychologische Überlegungen und eine kurze Rezeptionsgeschichte der Kritischen Psychologie und ihrer Veränderung durch die Gründung einer Beratungsstelle

Morus Markard
The Wind of Change. Bemerkungen und Nachfragen zu Theo Gehms »Fifteen Years After«

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Autorinnen und Autoren

Rubrik: Neuerscheinungen | Tags:

The Wind of Change

Bemerkungen und Nachfragen zu Theo Gehms »Fifteen Years After«

Artikel von Morus Markard in Forum Kritische Psychologie 32 (1993).

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Zusammenfassung

Gehm beschreibt den — u.a. durch GT-»Mütter« gebahnten — Weg von der Identifikation mit einer als normativ (und bloß rational) aufgefaßten Kritischen Psychologie über die kritisch-ironische Distanz zu dieser Identifikation zum theoretisch bunten Treiben psychologischer Beratungspraxis. Indem die normativ-identifikatorische Rezeption der Kritischen Psychologie nicht inhaltlich problematisiert wird, scheint mir Psychologiekritik generell auf der (Weg-)Strecke zu bleiben — zugunsten der Normativität des Faktischen.

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Fifteen Years After

Die kurze Geschichte von der Gründung einer Psychosozialen Beratungsstelle inspiriert durch kritisch-psychologische Überlegungen und eine kurze Rezeptionsgeschichte der Kritischen Psychologie und ihrer Veränderung durch die Gründung einer Beratungsstelle

Artikel von Theo Gehm in Forum Kritische Psychologie 32 (1993).

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Zusammenfassung

Es wird ein Erfahrungsbericht über ein Praxisprojekt gegeben, das sich 1978 ausgehend von einer studentischen Arbeitsgruppe »Kritische Psychologie« entwickelt und zur Gründung einer mittlerweile etablierten und expandierenden Beratungsstelle geführt hat. Der bewußt subjektiv gehaltene Bericht versucht, einen kurzen Überblick über die Arbeit des Projekts zu geben, vor allem aber die subjektive Entwicklung der Beteiligten zu skizzieren, und dabei Unterstützung, Anregungen und Hilfe, die sie durch die Beschäftigung mit der Gedankenwelt der Kritischen Psychologie erfahren haben, aber auch Brüche, die sich bei der Umsetzung vieler Überlegungen ergeben haben, zu beschreiben.

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